Skip to main content
Ausgabe 02/22 Vertrauen

Verrückt? Nein, vertraut!

Verhrückt? Verheiratet!

Lesedauer: ca. 7 Min. | + Video zum Beitrag

Autor: Thomas Mertz | Fotos: Bernhard Spoettel

Redaktionelle Mitarbeit: Markus Reder, Theresa Baier

Verrückt? Nein, vertraut!

Die einen stehen ganz am Anfang, Lorina (19) und Severin (22). Die anderen haben bereits 54 Jahre Ehe-Erfahrung: Alexa und Christof. Beide Paare kennen sich bereits seit ihrer Schulzeit. Die Jungen wollten möglichst bald heiraten. Die anderen gaben sich das Ja-Wort, als es alle um sie herum längst von ihnen erwarteten. Alexa und Christof aus Wien heirateten in den 1950er Jahren. Damals war eine „frühe“ Heirat oft noch üblich. Lorina und Severin trauten sich vor einem Jahr in Bonn – ohne „Absicherung“, ohne das Zusammenleben ausprobiert zu haben.

Die meisten jungen Menschen – so sagen Umfragen – träumen von einer dauerhaften glücklichen Beziehung, vom „Traummann“ oder der „Traumfrau“. Alexa lernte ihren „Traumprinzen“, wie sie schmunzelnd sagt, bereits zu Schulzeiten kennen, als viele ihrer Schulfreundinnen ihn haben wollten und sie beneideten. Nach der Schule verloren sie und Christof sich zunächst aus den Augen. Man traf sich wieder und blieb beisammen – endgültig.

Auch Christof fand seine Alexa von Anfang an „herzig“, wie er es charmant ausdrückt. Keine Frage: Attraktivität wirkt, ist aber nicht alles. Bei Lorina heißt das: Das Aussehen zieht an, der Charakter hält fest. „Ich habe mich von Anfang an optisch zu Severin hingezogen gefühlt. Aber ich habe schnell gemerkt, was eigentlich dahintersteckt.“ Das Schöne ist und bleibt wichtig. Doch nach einiger Zeit sei es „nicht mehr so wichtig“. Weil man, so Severin, „mehr Seiten des anderen kennenlernt und erkennt“.

Kommunikation ist der Schlüssel einer funktionierenden Beziehung.

Lorina

Doch was lässt Paare in jungen Jahren den Sprung in die Ehe wagen? Schließlich geht es bei der Ehe um „das wildeste aller Abenteuer“, wie es der englische Schriftsteller Gilbert Keith Chesterton aktuell bleibend ausgedrückt hat. Lorinas Antwort lautet: Vertrauen. „Dass ich ihm sofort einhundert Prozent vertrauen konnte, ihm Sachen erzählt habe, die ich nie jemandem erzählt habe, und auch wusste, dass das da richtig aufgehoben ist.“ Und auch: „Dass er nicht über mich urteilt.“

Dem stimmt Severin zu: „Das beruht auf Gegenseitigkeit. Das war von Anfang an so, dass ich ihr alles erzählt habe. Wir haben ziemlich lange einfach gesessen und haben von uns erzählt. Das hat sich durch die Beziehung durchgezogen.“ Jederzeit zum anderen kommen können und zu wissen, „dass sie mich nicht wirklich verurteilen wird und dass sie hinter mir steht“. Severin sei immer für sie dagewesen, in jeder Hinsicht, meint Lorina. Für sie ist „Kommunikation der Schlüssel zu einer funktionierenden Beziehung.“

Auch in Österreich wussten Alexa und Christof, dass sie sich immer aufeinander verlassen konnten. Auch Krisenzeiten haben sie miteinander durchgestanden. „Eine Ehe ohne Krisen gibt es nicht“, meint Christof. Die beiden wollen gar nicht erst den Eindruck erwecken, als sei „immer alles eitel Sonnenschein“. Es gebe Phasen der Spannung und der Harmonie. Krisen würden dazugehören. Daran könne man wachsen. Im Laufe vieler Ehe-Jahre verändere man sich, sagt Alexa. „Wichtig war, dass wir uns auch miteinander verändert haben, dass wir immer im Gespräch geblieben sind.“ Man müsse gemeinsam an der Beziehung arbeiten, ohne den anderen ändern zu wollen. „Man kann sich immer nur selbst ändern und dazu beitragen, dass eine Situation gut wird.“

Daheim hörte er seiner Frau plötzlich zu.

Anders als bei dem jungen Bonner Paar spielte bei Alexas und Christofs Ehe-Entscheidung der Glaube anfangs kaum eine Rolle. „Wir sind in unsere Ehe eingestiegen“, sagt Christoph, „ich glaubenslos und sie ist in die Messe gegangen. Was ihren Glauben anbelangt, den habe ich demontiert“. Nach drei Jahren sei ihre Ehe bloß noch „fad“ gewesen, erinnert sich Alexa. „Wir haben viel nebeneinander her gelebt.“ Die Wende kam mit Gott. Zunächst bei Christof.

Bei einem Cursillo-Glaubenskurs entdeckte er, dass Glaube etwas Persönliches ist, dass es um eine persönliche Gottesbeziehung geht. Davor war Glaube für ihn Moral und Verbote. Daheim hörte er seiner Frau plötzlich zu. „Das macht er doch sonst nicht“, habe sie sich damals gedacht, sagt Alexa. Sie wird neugierig. Auch sie erfährt die lebensverändernde Kraft eines persönlichen Glaubens. Mit der ganzen Erfahrung eines langen Ehelebens meint der Vater, Großvater und Urgroßvater heute: Die Ehe werde erst dadurch lebbar, „dass wir dieses Grundvertrauen haben dürfen, dass wir das nicht alleine zu bewältigen haben“. Im Rückblick ist für beide die Vorher-Nachher-Erfahrung ihrer Ehe ganz wichtig. Die Ehe ohne und mit Gott. Mit Gott sei eine neue Dimension in ihr Leben eingebrochen, die „alles in einem neuen Licht erleben ließ“. Es war, wie wenn ein Schleier weg gewesen wäre. Das Leben sei plötzlich spannend geworden, sagt Alexa. „Was immer passiert, wir wissen, Gott ist mit uns, wir können uns an ihn wenden und ihm vertrauen“, betont Christof.

Dem, was sich in Wien erst nach stotternden Anfängen zur Gewissheit verdichtete, stimmen die Bonner zu. „Wir sind der Auffassung, dass eine Beziehung und vor allem eine Ehe nicht ohne Gott funktionieren kann“, meint Lorina. „Da weiß man, da ist ein noch größerer Supporter.“ Nicht als Notanker, sondern als „gemeinsamer Anker“. Das Ehe-Sakrament war für Lorina und Severin daher selbstverständlich. „Bei einer standesamtlichen Hochzeit schenkt man sich nicht so, wie man sich bei einer kirchlichen Trauung schenkt“. Der öffentliche Aspekt scheint dabei durchaus von Bedeutung. Severin meint: Dadurch sei das Ehe-Sakrament etwas ganz Offizielles. Das gegenseitige Sich-Schenken sei offensichtlich und endgültig. Ohne Wenn und Aber, ohne Zurück.

Für diese Ohne-Zurück-Entscheidungen braucht es die Bereitschaft beider, an der Beziehung zu arbeiten und jede Menge Vertrauen – aufeinander und auf Gott. Davon sind Lorina und Severin überzeugt.

Menschen kann man nicht ausprobieren

Doch warum heiratet man? Was drängt dazu? Gemeinsamer Tisch und gemeinsames Bett bedürfen heute keiner öffentlichen Bekundung mehr. Das war vor einem halben Jahrhundert noch anders. Für Lorina war es der logische „nächste Schritt“. Nach fünf Jahren Zusammensein habe man sich das gewünscht, meint Severin. Warum Leute zusammen sind, wenn sie nicht das Ziel haben zu heiraten, fragen sich beide. „Für uns war klar, dass unsere Beziehung zu einer Hochzeit führen sollte. Wir wussten, erst wenn wir heiraten ist das Siegel drauf ‚für immer‘.“ Lebenslänglich: Das ist beiden wichtig. „Lieben ohne lebenslang ist für uns keine Ehe. Lebenslang ist der Inbegriff von Ehe. Deswegen war uns dieser Schritt wichtig“, sagt Severin.

Alexa und Christof sprechen ein Tabu an. Sie sind überzeugt, dass man vor der Ehe enthaltsam leben sollte. Ansonsten begebe man sich „in eine gegenseitige Abhängigkeit“, die einem den Blick für die Entscheidung nimmt“. Freie Entscheidung sei aber nötig. Erst durch sie werde die Schönheit erkennbar, „wenn Hingabe wirklich Ganzhingabe ist“. Man könne einen Menschen nicht ausprobieren, betont Christof. Denn was sei das Kriterium für das Gelingen dieser Probe? „Ab wann können wir sagen: Das ist jetzt genug?“ Gemeinsames Leben sei immer dynamisch. Die Weiterentwicklungen der beiden Ehepartner sei nie zu Ende.

Die sind immer noch glücklich oder vielleicht sogar glücklicher geworden.

Alexa Gaspari

Gibt es keine Garantie? Wo so viele gutwillige Menschen scheitern. Schreckt das nicht ab? Alle Vier sind überzeugt: Es geht nicht ohne Vorbilder. Es braucht Vertrauen in Vertrauenspersonen. Für Lorina war es hilfreich, „dass unsere Eltern beide noch verheiratet sind“. Dadurch sei „nie etwas anderes vorgelebt worden, als dass eine Ehe lebenslang geführt wird“. Andernfalls „wäre es vielleicht anders gewesen“.

Alexa hält es für einen Jammer, dass es immer weniger Ehepaare gibt, an denen „sich die Jungen ein Vorbild nehmen können“. Es sei hilfreich zu sehen: „Die sind längere Zeit zusammen und immer noch glücklich oder vielleicht sogar glücklicher geworden.“ Für die Kinder, da ist sich Christof sicher, sei das Allerbeste, wenn „man beisammenbleibt und Freude an der Ehe“ hat. Auch wenn Kinder dabei erführen, „die Ehe ist schon eine Herausforderung“. Sie würden dann erkennen: „Unsere Eltern kommen auch nicht immer leicht über all die Probleme hinweg. Sie streiten miteinander, aber sie versöhnen sich wieder“. Letzteres sei entscheidend. Dieser Erfahrungsschatz sei wichtig, damit Kinder eines Tages selbst den Entschluss fassen, sich das zuzutrauen. Sie wüssten dann: „Es ist schön. Es geht.“

Lohnt es sich denn auch? Alexas Antwort ist deutlich: „Es lohnt sich, weil man einen Menschen geschenkt bekommt, auf den man sich wirklich verlassen kann. Es lohnt sich, Vertrauen zu entwickeln, mit dem Ergebnis, dass da einer wirklich durch dick und dünn mit dir gehen wird.“

Vimeo

Mit dem Laden des Videos akzeptieren Sie die Datenschutzerklärung von Vimeo.
Mehr erfahren

Video laden

Vimeo

Mit dem Laden des Videos akzeptieren Sie die Datenschutzerklärung von Vimeo.
Mehr erfahren

Video laden