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Ausgabe 03 Identität

Zwischen Playboy und Glaube

Autor: Jakob Schötz | Illustration: Robert Lenz, Samuel Schmidt, Jakob Schötz

Zwischen Playboy & Glaube

Venus, wer bist du wirklich

Promis, Partys, Playmates: Sie war It-Girl, schrieb für den Playboy und vermittelte mit ihrer Agentur Pin-up-Models. Das Geschäft brummt, Tina genießt den Glamour der VIP-Welt. Sie führt ein Leben wie im Rausch, bis sie emotional in ein tiefes Loch fällt. Um sich selbst zu finden, begibt sie sich auf eine spirituelle Reise. Buddhismus, Hinduismus, Schamanen: Sie probiert alles aus. Ihre Sinn-Suche führt sie bis in die Townships Südafrikas. Eine Begegnung in Indien verändert schließlich ihr Leben.

Eigentlich ist Tina Schmidt gelernte Buchhändlerin. Schon immer liest und schreibt sie gerne. Doch bereits im Teenageralter festigt sich in ihr der Entschluss: „Ich will berühmt werden. Ich werde es euch allen zeigen!“. Vom Elternhaus kommt wenig Anerkennung und Zuneigung. Tina sehnt sich nach Bestätigung und dem Lob Anderer. In der Buchhandlung arbeitet sie in der Comicabteilung, liest kaum noch und langweilt sich immer mehr. Tina ist jung, hübsch und lebensfroh. Eines Tages spricht sie ein Talentscout vom Regionalfernsehen in Bern an. Er sucht ein neues Gesicht, eine Straßenreporterin für ein Erotikmagazin. „Fernsehen klingt nach Berühmtwerden“ denkt sich Tina und sagt spontan zu.

Das ist ihr Einstieg in die Medienwelt. Sie arbeitet redaktionell, schneidet Beiträge, ist präsent auf Erotikmessen. „Ich war Teil dieser ganz eigenen Lebenswelt. Aber ich empfand das immer als eine Mischung aus Faszination und Abscheu.“ Dann landet sie als Praktikantin bei Playboy Deutschland. Bekommt dort 500 Mark monatlich. In der Schweiz verdiente sie 5.000 Franken. Trotzdem ist es ein riesiger Sprung für sie: „Geld war nie mein Motivator. Ich wollte mir einen Namen machen!“, sagt sie im Gespräch mit GRANDIOS. Ihr Aufstieg geht schnell. Als Quereinsteigerin bringt sie sich alles selbst bei und landet in der Moderedaktion.

Ich bin unsterblich!

Doch Tina will mehr. Sie will ihr eigenes Label und gründet die Styling- und Promotionsagentur „World of Venus“. Sie castet und vermittelt Models, organisiert Parties und Motto-Events, druckt Pin-up-Girl-Kalender und ist Gast auf den großen Modemessen im In- und Ausland. Die Agentur läuft gut. Tina hat es geschafft. In der Szene nennt man sie „Venus“, wie der Name ihrer Firma. YOLO – You only live once – ist ihr Lebensmotto. „‚Das Leben ist eine einzige Party. Ich bin unsterblich!’, so dachte ich damals. Ich wollte mich nicht mit schwierigen Dingen auseinandersetzen. Ich wollte unbequeme Erlebnisse wegdrücken. Das war wie eine Schutzmauer, die ich um mich herum aufgebaut hatte, um andere nicht an mein Herz zu lassen. Aber eigentlich wünschte ich mir immer eine Beziehung fürs Leben.“ Die mehrjährige Partnerschaft zu ihrem Freund gibt sie auf. Das Image von „Venus“, das sie in der Öffentlichkeit lebt, passt nicht zu einem biederen Privatleben. In der Szene fällt sie damit nicht auf. Kaum jemand dort strebt an, eine Familie zu gründen oder zu heiraten.

Venus ist tot

Tina zieht von Bern nach Zürich – heimliche Hauptstadt der Schweiz und Schmelztiegel der kreativen Szene. Sie stürzt sich in die Arbeit, kifft täglich. Langsam machen sich psychische Probleme bemerkbar. „Ich konnte mir selbst nicht beantworten: ‚Wer bin ich?‘ Es hat mir den Boden unter den Füßen weggezogen. Ich habe gemerkt, dass ich gar kein richtiges Fundament habe, keine Beziehung zu meiner Familie. All die Fragen, die ich jahrelang nicht zugelassen hatte, drängten nun geballt auf mich ein. Und ich wollte nicht mehr Venus sein. Ich sagte immer: ,Diese Venus ist tot‘. Aber wer ist dann eigentlich Tina, wenn es Venus nicht mehr gibt? Ich stand vor einer riesigen Identitätskrise.“ Zwei Monate verlässt sie ihre Wohnung nicht mehr. Das Angebot zur Therapie lehnt sie ab, fühlt sich dort nicht richtig aufgehoben. Einzige Stütze in dieser Zeit ist eine gute Freundin. Aber Tina macht weiter. Zu verlockend sind die Aufträge, die sie in Zürich bekommt.

Barfuss und ungeschminkt

So vergehen weitere sieben Jahre. Doch Tina stellt sich immer intensiver die Frage nach dem Sinn ihres Lebens. Sie begibt sich auf eine spirituelle Reise. Probiert sich in Yoga aus, versucht innere Ruhe zu finden, lernt den Buddhismus kennen, singt Mantras, praktiziert schamanistische Rituale und übt sich in Ausdruckstanz. Eine Reise in die Townships von Südafrika zeigt ihr eine andere Welt als die, die sie bereits bei Reisen für Modeproduktionen dort erlebt hatte. Jetzt lebt sie bei Einheimischen. „Ich kannte nur die reiche Seite dieses Landes. Was ich dort sah und erlebte, hat mich tief bewegt. Ich habe das alles an mich herangelassen. Plötzlich bröckelten die Schutzmauern. Die Ungerechtigkeit dieser Welt hat mir extrem zugesetzt. Die Menschen dort sind so arm und doch so fröhlich. Ich hatte äußerlichen Reichtum und war innerlich vollkommen verarmt.“

Als Tina nach Hause zurückkehrt, spürt sie, dass es so nicht weiter gehen kann. Das war wie ein innerer Ruf, beschreibt sie heute, der ihr sagte: „Das ist nicht mehr Dein Leben. Gib das alles auf!“ Tina sehnt sich nach einem Ort, an dem es kein Leid, keine Ungerechtigkeiten gibt. Das Leben, das sie bisher gelebt hat, erscheint ihr fremd und oberflächlich. „Am meisten wünschte ich mir aber Befreiung von mir selbst.“ Tina macht einen krassen Schnitt. Kündigt ihre Wohnung im Szeneviertel, verkauft Kleidung und High Heels. Barfuß und ungeschminkt versucht sie sich als Hippie und wohnt zeitweise unter freiem Himmel im Zelt. „Ich war ein bisschen aus dem System gefallen. Ich wollte eins sein mit der Natur und den Menschen. Die wirkliche Erlösung kam dadurch aber nicht. Ich war noch nicht
am Ende meiner Suche.“

Barfuss und ungeschminkt

So vergehen weitere sieben Jahre. Doch Tina stellt sich immer intensiver die Frage nach dem Sinn ihres Lebens. Sie begibt sich auf eine spirituelle Reise. Probiert sich in Yoga aus, versucht innere Ruhe zu finden, lernt den Buddhismus kennen, singt Mantras, praktiziert schamanistische Rituale und übt sich in Ausdruckstanz. Eine Reise in die Townships von Südafrika zeigt ihr eine andere Welt als die, die sie bereits bei Reisen für Modeproduktionen dort erlebt hatte. Jetzt lebt sie bei Einheimischen. „Ich kannte nur die reiche Seite dieses Landes. Was ich dort sah und erlebte, hat mich tief bewegt. Ich habe das alles an mich herangelassen. Plötzlich bröckelten die Schutzmauern. Die Ungerechtigkeit dieser Welt hat mir extrem zugesetzt. Die Menschen dort sind so arm und doch so fröhlich. Ich hatte äußerlichen Reichtum und war innerlich vollkommen verarmt.“

Als Tina nach Hause zurückkehrt, spürt sie, dass es so nicht weiter gehen kann. Das war wie ein innerer Ruf, beschreibt sie heute, der ihr sagte: „Das ist nicht mehr Dein Leben. Gib das alles auf!“ Tina sehnt sich nach einem Ort, an dem es kein Leid, keine Ungerechtigkeiten gibt. Das Leben, das sie bisher gelebt hat, erscheint ihr fremd und oberflächlich. „Am meisten wünschte ich mir aber Befreiung von mir selbst.“ Tina macht einen krassen Schnitt. Kündigt ihre Wohnung im Szeneviertel, verkauft Kleidung und High Heels. Barfuß und ungeschminkt versucht sie sich als Hippie und wohnt zeitweise unter freiem Himmel im Zelt. „Ich war ein bisschen aus dem System gefallen. Ich wollte eins sein mit der Natur und den Menschen. Die wirkliche Erlösung kam dadurch aber nicht. Ich war noch nicht
am Ende meiner Suche.“

Ohne Angst und Lügen

Um noch mehr über Buddhismus und Hinduismus zu erfahren, reist Tina nach Indien. Es soll eine Auszeit sein, um sich endlich zu finden. Ein indischer Freund schlägt ihr vor, in seine Heimatstadt Varanasi zu reisen. Dort vermittelt er ihr den Kontakt zu einem Waisenhaus, in dem sie mithelfen könne. Was er ihr nicht sagt: Es handelt sich um eine christliche Gemeinde.

Tina wird von den Menschen dort angenommen, wie sie ist. Sie diskutiert mit ihnen über den christlichen Glauben. Sie sind nicht aufdringlich. Niemand möchte ihr seine Überzeugungen aufzwingen. „Ziemlich schnell habe ich gespürt, da ist was dran. Ich habe angefangen, in der Bibel zu lesen.

Das war wie ein Wow-Effekt. Ich habe gemerkt, das sind wahre Worte, die mich persönlich ansprechen und in so vielen Dingen bestätigen, die bereits in den letzten Jahren in mir reiften.“ Was Tina aber besonders prägt, ist das große Vertrauen, das sie in sich spürt. Das Vertrauen, sich Gott zu öffnen. Ein Gefühl, das sie bisher noch nicht erlebt hatte. „Ich habe die Bibel nicht gelesen und mir gesagt ‚Das wird schon stimmen, schließlich ist das ja die Bibel‘. Was da stand war für mich so klar und plausibel. Und ich habe mich nach Vergebung gesehnt. Mir war bewusst, was ich alles getan habe: Ich hatte Drogen genommen, zweimal abgetrieben, mehrere Männer verlassen, hatte Hass auf meine Eltern, lebte mit Lügen und Ängsten.“ All das, so begreift sie, kann keine guten Früchte tragen und keine guten Taten hervorbringen. Das konnte nicht nach Gottes Willen sein.

Ein ganzes Jahr lebt Tina in einer christlichen Gemeinschaft. Reflektiert, was alles in der Vergangenheit passiert ist und welche neuen Erfahrungen sie gemacht hat. Prüft, ob das nun der richtige Weg ist. Sie lässt sich taufen, fühlt sich angekommen in ihrer wahren Identität. Einer Identität ohne Masken, Schauspielerei und Schutzmauern.

„Sicher bin ich immer noch auf dem Weg. Jesus ist für mich der Weg, denn er hat die richtigen Antworten und einen guten Plan. Gott will uns Leben geben, uns befreien. Früher dachte ich, Freiheit bedeutet, dass ich alles machen kann, was ich will. Das hat mich aber eher in einen goldenen Käfig gebracht, in dem ich sehr unfrei war.“ Heute arbeitet Tina wieder im Medienbereich. Aber anders
als früher. Sie hat ihr Leben in einem Buch aufgeschrieben, moderiert eine Büchersendung für christliche Literatur und tritt in Gemeinden auf, um von ihrem Weg zu erzählen. Vor drei Jahren hat sie den Mann fürs Leben gefunden und geheiratet. Rückblickend sagt sie: „Es ist nichts Falsches daran, in der Mode- und Medienbranche zu arbeiten. Es gibt dort viel Kreativität und tolle Menschen, die ich vermisse. Venus musste ich nicht abtöten, sie ist ein Teil meines Lebens. Und ich glaube, dass auch Gott ’Venus’ liebt.“