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Autor: Marco Michalzik und Micha Kunze

BRÜDER

Wenn sich Spoken Word-Künstler die Bibel vornehmen (Lukas 15, 11-32)

BRÜDER

Kapitel 1 - 6

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Totes Kapitel

Kapitel 1: Der jüngere Bruder

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Dein Arm um meine Schulter
ist wie ein kalter Käfig.
Ich find’ das hier zum Kotzen,
doch du, du nennst das stetig.

„Wir haben alles, was du brauchst“,
hör’ ich dich wieder reden.
Und ich pack’s nicht, weil wir sitzen
in vier Wänden, nennen das Leben.

Und da draußen ist ’ne große Welt,
die erlebt werden will,
doch wir bleiben hier drin sitzen,
bleiben brav und tot und still.

Und ich rieche schon die Seeluft,
doch ihr wehrt euch vehement.
Aber Freiheit ist da draußen
und nicht Steine aus Zement.

Ich glaub’ vom Leben hab’ ich mehr erhofft,
als ewig ätzende Routine,
euer Zug fährt durch den Alltag
und bleibt ewig auf der Schiene.

Und die Decke fällt mir auf den Kopf,
und obwohl ich euch das zeige,
nehmt ihr das nicht ernst
und ich glaub’, ihr seid nur feige.

Weil ihr seid nun mal noch nie
zu einem Sonnenaufgang heimgekommen,
seid nie in eurer Spießigkeit
auf Endorphinenwellen mitgeschwommen.

Und Vater murmelt wieder
schlaue Sprüche in seinen Bart,
doch was er hat, ist ungelebt
nur totes Kapital.

Und, großer Bruder, ja ich seh’ doch,
wie du über mich nur lachst.
Doch hast Momente nie beim Schopf gepackt,
zu deinen eigenen gemacht.

Du bist noch nie besoffen
deinen Freunden in dem Arm gelegen,
weil gottverdammt du hast kein’ Plan
wie es sein kann, das Leben.
Ihr habt kein’ Plan, doch ich hab Pläne
und mein Leben fängt erst dann an,
wenn ich euch verlassen hab’,
ich will euch nie gekannt hab’n.

Ich forder’ das ein, was mir zusteht,
weil ich bin schon viel weiter,
bleibt ihr mal schön in „Sicherheit“,
solange bis der Zeiger
eure letzte Stunde Langeweile schlägt,
was könnt ihr froh sein.
Ich werd’ euch jetzt vergessen,
ihr könntet für mich tot sein.

Ich pack’ mein Zeug und ich bin raus hier,
mein Bruder nennt das unfair.
Schaut mir jetzt aus dem Käfig zu,
wie ich niemals umkehr.

Bilderbuchutopien

Kapitel II: Der ältere Bruder

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Schau’ ich dich an
kleiner Bruder,
komm ich zur Erkenntnis,
ich hab’ dich nicht gekannt.
Was soll das sein für ein Land, wo du jetzt hinwillst?
Schau’ dich doch an…
Lächerliche Luftschlosstraumgebilde, denen du nachjagen willst,
aber glaub’ mir, der Wind,
lässt sich nun mal nicht einfangen, nur weil du es befiehlst.

Du hältst dich für so besonders. So speziell individuell.
Aber ich hatte Träume wie du,
nur wie’s scheint hatten die nichts mit dem richtigen Leben zu tun.
Hab’ meine Visionen auf die Realität gelegt
und festgestellt, dass sie an allen Rändern überstehen.

Ich glaube, Vater fordert doch nichts, außer Loyalität
und ich glaub’, er ist mehr wütend als traurig, dass du einfach so gehst.

Ich kenne die Zweifel, die einen bisweilen verzweifeln lassen.

Aber vielleicht muss man auch nicht ständig alles hinterfragen.
Wie wär’s mit Dankbarkeit für das im Grunde gute Leben, das wir hier miteinander haben?

Du sagst, es wär’ zu eng und dass sich nie etwas bewegt,
Ich seh’s eher als Refugium der Stetigkeit,
wenn die Welt sich zu schnell dreht.

Undankbar und unfassbar unsensibel
Sind wir nicht deine Familie?
Was sind das für fixe Ideen?
Wo kommt dein riesen Ego her? Von mir hast du das nicht gelernt.

Weißt du, was du Vater antust mit der Scheiße?
Und auch vor Leuten ist das peinlich,
dein Hirngespinst von einer Reise –
nicht mehr als kindisch-kitschige Bilderbuchutopien,
werd’ endlich erwachsen und lern’ zu akzeptieren,
dass für Menschen wie uns Verantwortung und Regeln existieren.

Und vielleicht hab’ ich auch Angst um dich, aber dann auch wieder nicht.
Ich hab’ nur wenig Mitleid grad, für jemanden, der sein Schicksal nahm
und einfach aus dem Fenster warf.

Offensichtlich weißt du nicht mehr, wo daheim ist.
Wenn nur die Hälfte der Geschichten stimmt, ist dir wohl auch nichts mehr heilig.
Wahrscheinlich hast du in all den Exzessen unsere Werte vergessen.
Und welcher deiner Kicks wird dich am Boden der Verzweiflung erretten?
Ich hör’ die grässlichsten Gerüchte über deine lächerliche Odyssee.

Und wünsche mir heimlich, sie würden lügen und dass es dir gut geht, dass du drüben siehst, dass es vielleicht doch mehr und sowas wie wirkliches Glück gibt.
Und doch weiß ich, dafür fehlt dir Weitsicht und dass mein Platz für Frieden weiter daheim ist.
Ich weiß nicht, wie viel stimmt, weil Leute übertreiben…
Ich mein, sie meinten, du säßt pleite bei den Schweinen.
Aber so doof kannst selbst du nicht sein.
Oder?

Ganz ehrlich, wenn mich jemals jemand wieder nach dir fragt,
werd’ ich kopfschüttelnd sagen: Den hab’ ich nie gekannt.

Wie konntest du nur?

Der Weg nach Hause führt bergauf

Kapitel III: Der jüngere Bruder

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Ist das der Morgen danach?
Wusste nicht,
wer sich
in Freude ertränkte
die danach
wieder erbrach.

Katerstimmung.
Frag’ mich immer noch,
was das gerade war.
War nicht gerade mein Luftschloss
noch irgendwie real?

Der Himmel in pastell,
hat der Welt
einen neuen Anstrich verlieh’n,
und ich lieg’ unter dem Himmel
und es dämmert nicht nur ihm.

Gerade stand ich aufrecht.
Wann ist der Faden abgerissen?
Ich wollte ganz nach oben,
doch der Boden
kam dazwischen.

Ich starre in die graue Pfütze,
die schlagartig nun mein Leben ist.
Der Wind, der weht jetzt kalt
und ich erkenne mein Gesicht nicht.
Mir war doch wichtig,
dass Freiheit gewichtig
und Heimat irgendwie
ersetzbar ist.

Die Welt wirkt plötzlich grau,
wenn die Musik wieder verstummt.
Da sind dann Träume bisschen weiter weg,
und viel weniger bunt.

Ich sitz‘ auf scharfen Scherben
und die formen sich zu Tatsachen:
meine Wünsche, wie ich lebe
sind hinter mir nur Schlagschatten.

Was würd‘ ich jetzt für
nur ein kleines bisschen Heimat geben.
Meinen Kopf in das bekannte Bett
der wohltuenden Routine legen.

Meine Reise mit der Feder
ins Utopienbilderbuch zu schreiben,
es zuzuklappen
und mich von Genügsamkeit treiben
zu lassen.

Aber mein Recht darauf
hab’ ich in schweißnassen Nächten
aufgebraucht.
Grauenhaft,
weil ich jetzt erst raff‘,
dass niemand mich da draußen braucht –
aber daheim für mich ein Platz war.

Ich hab’ Scham noch nie kapiert,
aber jetzt hängt sie in den Knochen.
Bin jetzt wochenlang
mit Schweinen in der Scheiße rumgekrochen.

Und meine Knie, die sind wund,
und wund werden sie bleiben.
Weil ich nicht mehr würdig bin,
zu stehen auf den Beinen.

Es gibt kein vor und kein zurück
und verdammt ich hab’s verdient.
So fühlt’s sich an wenn man vor lauter
Freiheit
Heimat
nicht mehr sieht.

Ich bin ein schwarzes Schaf,
bin der geringste jetzt von allen.
Bin offensichtlich
und berechtigt
von der Gnade abgefallen.

Geh’ ich zurück? Schlägt er mich tot?
Aus meinen Fragen wird ein Ringen.
Will ich hier nicht verrecken,
muss ich die nicht mehr weiße Weste schwingen.

Das war’s, ich gebe auf.
Kriech’ den langen Weg jetzt heim.
Vielleicht nimmt er mich ja auf.
Vielleicht kann ich ja sein Knecht sein.

Was komm ich mir jetzt dumm vor,
hab’ mich damals vor ihm aufgebäumt.
Der Freiheitstraum war laut und bunt,
doch jetzt, jetzt ist er ausgeträumt.

Ich habe nichts verdient
und das verstehe ich jetzt auch.
Der Weg, der mich nach Hause bringt,
geht jetzt nur noch bergauf.

Schwarze Schafe und Schockmomente

Kapitel IV: Der ältere Bruder

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Jetzt tauchst du ernsthaft wieder auf?
Das hätte ich nicht mal mal nem Taugenichts wie dir ernsthaft jemals zugetraut.
Was willst du überhaupt?
Hast’ wohl alles aufgebraucht,
was dir unser Vater unverständlich-unverdienterweise mit auf den Weg gegeben hat.

Genügsamkeit war ja offensichtlich nie so deins,
In Rekordzeit alles verprasst, was du mitgehen lassen hast.
Erspar’ mir bitte die Details deiner heißen Schweinerein.
Oh, wie ironisch, dass du genau da gelandet bist zum Ende deiner Reise.

Ich will ja nicht sagen: „ich hab’s dir ja gesagt,“
aber ich hab’s ja dir gesagt.
Erwart’ hier mal keine offenen Arme,
und so wie ich den Vater kenne,
schläfst du heut’ Nacht auf der Straße.

Du wandelnde Beleidigung einer florierenden Familie.
Schwarze Schafe, weißt du selbst, werden hier nicht existieren
und wer ihr so krass den Rücken dreht, verdient auch keine Liebe.

Dein Dreck wird nur noch von deiner Dreistigkeit in den Schatten gestellt.
Wo ist jetzt dein Geld? Wenn dein großer Freiheitstraum kläglich am wirklichen Leben zerschellt.

Er hält nach dir Ausschau, um dir zuvorzukommen.
So wie ich ihn kenn’, wirst du nichts hören.
Nur, du bist hier nicht mehr willkommen.

Jetzt ist alles furchtbar verdreht.
Wie kann es sein, dass er den Arm um dich legt?
Er rennt und macht sich lächerlich
für ’nen Verlierer wie dich.
Ich dacht’, er wüsst’ es besser – ich
kapiere ihn nicht.

Schmeißt sich in den Schmutz, als würd’ er Könige empfangen,
neu eingekleidet, aufgenommen,
setzt dich zurück auf Anfang?

Wie kannst du noch sein Sohn sein?
Wie kann er ernsthaft froh sein?
Wie dein Heimgekrieche so zärtlich zelebrieren,
und wenn er wem ’ne Party schuldet,
dann ja absolut wohl mir.

ICH bin doch dageblieben,
hab’ ihn nicht abgeschrieben,
ihn so krass respektiert,
Kraft und Zeit investiert.
ICH hab’ die Regeln beachtet,
selten Fehler gemacht.
Ich hab’ die Träume begraben,
um ihn nicht zu verraten.
War ich nicht immer korrekt?
Warum bekommt dann der Verlierer vom Vater ein fantastisches Fest und den Tisch gedeckt?

Heimkommen

Kapitel V: Der jüngere Bruder

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Auf Knien bin ich heimgekommen,
dachte für dich bin ich längst tot.
Meine Fratze noch mit Dreck bedeckt,
die Augen feuerrot.
Auf Knien bin ich heimgekommen,
doch du wartetest da schon,

hast mich zu dir hochgenommen,
gesagt: „Du bist mein Sohn.“
Du hast mich angeschaut, mich angeschaut,
den Sohn ohne Gesicht,
und hast gesagt, wie du mich siehst,
das ändert sich auch nicht.

Und als ich hörte, wie von Weitem
Musik ganz leis’ begann,
und du immer noch neben mir,
um meine Schulter deine Hand –
musste ich mir eingestehen:
Ich hab’ dich nie gekannt.

Reinkommen

Kapitel VI: Der ältere Bruder

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Er hat mich ernsthaft gefragt, ob ich Gnade versteh’
und ob ich reinkommen will.
Ist das nicht ein bisschen extrem?
Was für ’ne kranke Idee
nach all dem, was geschehen ist, sich mit DEM an einen Tisch zu setzen.
Hat der nicht genug Partys für mehrere Leben gehabt?
Wie lange haben wir dafür gespart, was jetzt in einer Nacht ohne Anlass auf dem Tisch verschwendet wird.

Ich hab’ nie was für mich verlangt.
Und fang’ an mich zu fragen, hab’ ich ihn jemals gekannt?
Vielleicht hätt’ ich nur bitten müssen
und vielleicht noch nicht mal das.
Mehr als nur ein bisschen Güte
und für Vergeltung keinen Platz.
Das hätt’ ich so niemals gedacht.

Vielleicht fang’ ich zaghaft an, jetzt seine Worte zu kapieren,
was er meinte, als er sagte:
„Das, was mein ist, gehört dir.“

Und dann hat
er mich gefragt, ob ich Gnade versteh’
und ob ich reinkommen will.