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Ausgabe 05 Geschenk

Von Bäumen und Menschen

Lesedauer: ca. 5 Min.

Autor: Benedikt Bögle | Fotografie: Bernhard Spoettel

Von Bäumen und Menschen

Schüler protestieren, Politiker schnüren Klimapakete. Der Klimawandel bewegt Menschen weltweit. Das sorgt für Allianzen. Auch das Bistum Regensburg verfolgt ein Klimaschutzkonzept. Bäume können helfen, meint Sarah Hadj Ammar von „Plant for the Planet“. Wir haben uns mit ihr getroffen. Wo? Natürlich im Wald.

Nebel, überall Nebel. Man sieht kaum die Hand vor Augen. Feucht und kühl ist es an diesem herbstlichen Nachmittag hier oben. Knapp 1.300 Meter ist der Berg hoch. Der Nebel macht eine Orientierung fast unmöglich. Klaus Neuberger schreckt das nicht ab. Auch heute ist er draußen, durchstreift die Waldgebiete auf dem großen Osser nahe der tschechischen Grenze. „Ich bin hier täglich im Einsatz“, sagt er. Neuberger ist Förster und seit mehr als zwanzig Jahren für die Waldgebiete des Bistums Regensburg verantwortlich. Am Osser im Landkreis Cham kümmert er sich um mehr als 700 Hektar Waldfläche. Sorgfältig begutachtet er die Bäume, steigt über Äste und Wurzeln, klopft an die Rinden hochgewachsener Tannen.

Mit Neuberger ist heute eine junge Frau unterwegs. Sarah Hadj Ammar ist 20 Jahre alt und studiert Biomedizin in Würzburg. Fast ihr halbes Leben beschäftigt sie sich nun mit Bäumen. Seit neun Jahren gehört sie zu „Plant for the Planet“ und ist Botschafterin der Organisation. Den Jugendlichen und jungen Erwachsenen, die sich bei „Plant for the Planet“ engagieren, geht es darum, mehr Bewusstsein für den Klimawandel zu schaffen und konkret etwas dagegen zu tun: Sie pflanzen Bäume. Weltweit könnten Schätzungen zufolge eine Billion Bäume gepflanzt werden – ohne bestehende Siedlungen oder landwirtschaftliche Flächen zu bebauen. Die Organisation hat auf der Halbinsel Yucatan drei Millionen Bäume gepflanzt, jedes Jahr soll eine weitere Million hinzukommen. Durch dieses Projekt will „Plant for the Planet“ aber auch Nachahmer finden und seine Idee weiterverbreiten. „Bäume zu pflanzen bedeutet keine Lösung für die Klimakrise. Es gibt uns nur mehr Zeit“, gibt Sarah zu bedenken. Mehr Zeit, um andere Lösungen zu suchen und zu finden: Denn die Bäume binden CO2, schaffen neuen Lebensraum und auch Arbeitsplätze.

„Künstlich muss gar nichts passieren“

Während Sarah sich dafür stark macht, dass mehr Bäume gepflanzt werden, sorgt sich Klaus Neuberger um die Bäume, die schon da sind. „Unser Ziel ist es, dass sich der Wald natürlich verjüngt“, sagt er. Neuberger und sein Team setzen sich dafür ein, dass sich der Wald aus sich heraus regeneriert. Der Wald soll ohne allzu großen Einfluss des Menschen wachsen und gedeihen können. Drei- bis viertausend Bäume werden pro Jahr geschlagen. Das sind genauso viele Stämme, wie jährlich auf natürlichem Wege wieder nachwachsen können: „Wir arbeiten hier sehr nahe an den natürlichen Gegebenheiten. Künstlich muss hier gar nichts passieren“, erklärt Neubauer.

Mehr als 210.000 Bäume stehen im bischöflichen Wald am Osser: hauptsächlich Weißtannen, Buchen und Fichten. Mittlerweile werden aber auch vorsichtig ausländische Baumarten gepflanzt: Douglasie, pazifische Fichte und Lärche. In der Region um den Osser wurde immer schon ökologisch gearbeitet. Wo es geht, lässt Neuberger auch heute abgestorbene Äste liegen, denn sie bieten Tieren und Pflanzen Lebensraum. Neuberger ist überzeugt: „Der stärkste Wald ist der natürliche Wald.“ Doch auch der hat zu kämpfen. Der Klimawandel macht sich auch in der Oberpfalz bemerkbar. Trockenheit, saure Böden und das Ozonloch machen den Bäumen zu schaffen.

„Die letzte Generation, die etwas ändern kann“

Sarah lässt das keine Ruhe. Die Klimakrise treibt sie um. „Ich weiß nicht, was mit uns in fünfzig Jahren geschieht. Das macht mir Angst“, sagt die 20-Jährige. „Ich kann es mir nicht leisten, keine Angst zu haben“, meint sie. Der Klimawandel bedrohe auch ihre Zukunft, davon ist Sarah überzeugt. „Uns hier geht es noch gut. Bei vielen Menschen sieht das schon anders aus.“ Die Klimakrise sei bereits spürbar. Steigende Temperaturen würden die Lebensgrundlage vieler Menschen bedrohen.

Das Bewusstsein dafür scheint stetig zu wachsen. Immer mehr Kinder, Jugendliche und Erwachsene gehen auf die Straße, um für mehr Klimaschutz zu demonstrieren. „Unsere Generation ist die letzte, die tatsächlich noch etwas verändern kann“, meint Sarah. Mit ihrem Engagement für „Plant for the Planet“ will sie Bewusstsein schaffen. Dabei setzt die Organisation bei Kindern und Gleichaltrigen an. Von klein auf sollten Kinder über das Klima informiert werden, findet Sarah. „Sie sollen mitbekommen, dass sie tatsächlich etwas verändern können.“

Auch „Plant for the Planet“ will etwas ändern. Durch Bildung und – ganz konkret – durch das Pflanzen von Bäumen. So forsten die Ehrenamtlichen etwa abgerodete Flächen in Mexiko auf – auch Sarah war nach ihrem Abitur dort im Einsatz. Der Gründer von „Plant for the Planet“, Felix Finkbeiner, wurde für seinen Einsatz 2018 mit dem Bundesverdienstkreuz ausgezeichnet. Wie er, ist auch Sarah überzeugt: Der Einsatz gegen die Klimakrise fange im Kleinen an: Wenn möglich, Flüge vermeiden, regional einkaufen, weniger Auto fahren, andere Menschen über die Klimakrise informieren oder eben Bäume pflanzen. Sarah weiß aber auch: „Das wird nicht reichen. Vor allem Wirtschaft und Politik müssen sich verändern.“ Die Industrie sei für einen erheblichen Teil der CO2-Emmissionen verantwortlich.

Die Ökobilanz kritisch durchleuchten

Auch das Bistum Regensburg sieht sich bei dieser Frage in der Pflicht. „Eine Diözese besteht auch aus Verwaltungseinrichtungen, Dienststellen und Mitarbeitenden, die in eigenen Gebäuden wirken, sich fortbewegen und Gebrauchsgüter nutzen. Sie ist Konsumentin, produziert CO2-Emmissionen und hat mit ihrer Kaufkraft Einfluss auf den Markt“, sagt Beate Eichinger. Die Theologin ist Umweltbeauftragte im Bistum Regensburg und koordiniert im Auftrag von Bischof Rudolf Voderholzer das Klimaschutzkonzept. Seit dem Jahresbeginn 2019 gehört das Bistum offiziell zu einem Klimaschutzprojekt, das vom Bundesumweltministerium gefördert wird. Das Ziel: Die Ökobilanz in den Gebäuden, der Energieverbrauch, die Mobilität und das Einkaufsverhalten sollen kritisch durchleuchtet, die CO2-Bilanz verbessert werden – so wird etwa überprüft, in welcher Qualität Einrichtungen des Bistums ihr Papier oder ihre Nahrungsmittel beziehen. Die Mitarbeiter seien motiviert, Klimaschutz im Bistum umzusetzen, meint Beate Eichinger.

Geschenk und Aufgabe zugleich

Für die katholische Kirche ist das ein wichtiges Thema. 2015 veröffentlichte Papst Franziskus seine Schöpfungs-Enzyklika „Laudato si“ über die „Sorge für das gemeinsame Haus“. Dieses Haus ist für den Papst die ganze Welt – ein gemeinsamer Lebensraum nicht nur für Menschen, sondern auch für Pflanzen und Tiere. Mit seinem Lehrschreiben schärfte Franziskus auch innerhalb der Kirche das Bewusstsein für den Klimaschutz. Wirklich neu ist das Thema Schöpfungsverantwortung nicht. Auch Benedikt XVI. forderte eine ganzheitliche „Ökologie des Menschen“. Schon das erste Buch der Bibel, das Buch Genesis, spricht davon, dass Gott dem Menschen seine Schöpfung anvertraut. Das bedeutet Verantwortung. Eichinger betont: „Als Christin glaube ich daran, dass Gott die gesamte Welt mit all ihren Bewohnerinnen und Bewohnern – Menschen, Tieren, Pflanzen – als fein abgestimmtes Ökosystem geschaffen hat. Alle haben daher einen Eigenwert, den es zu beschützen gilt. Die Schöpfung ist Geschenk und Aufgabe zugleich.“

„Allen muss klar sein, was auf dem Spiel steht“

Das sieht Sarah ähnlich: „Geschenke schätzt man, bewahrt sie, kümmert sich um sie.“ Geht es der Natur schlecht, wird letztlich auch der Mensch darunter zu leiden haben. Seit beinahe zehn Jahren engagiert sich Sarah für den Umweltschutz. Ermüdend findet sie das nicht. Welchen Beruf sie nach ihrem Biomedizin-Studium ergreifen will, weiß sie noch nicht. Eines aber weiß sie genau: „Ich werde nicht aufhören, über die Klimakrise zu sprechen. Allen muss klar sein, was auf dem Spiel steht.“

Wer sich für die Bewahrung der Schöpfung einsetzt, braucht einen langen Atem. Davon kann auch Förster Neuberger vom Forstgut Lambach berichten. „Ein Förster sollte lange an einem Ort sein“, meint er. Er selbst profitiert letztlich von der Arbeit seiner Vorgänger. Es braucht viel Zeit, bis ein Baum wächst. Die Auswirkungen seiner eigenen Arbeiten werden erst seine Nachfolger spüren können. Bedächtig blickt er auf seine Bäume. Krankheiten und Klimawandel sind an ihnen nicht spurlos vorüber gegangen. Das kann einen nicht gleichgültig lassen.

„Die Erde ist unsere gemeinsame Lebensgrundlage, die schon viel länger existiert als wir Menschen. Aus christlicher Sicht hat uns Gott in dieses filigrane Netzwerk der Schöpfung hineingestellt und es uns anvertraut – zur rücksichtsvollen, verantwortlichen und pfleglichen Nutzung“, sagt Beate Eichinger.

Klaus Neuberger

Das Forstgut Lambach

Etwa 210.000 Bäume stehen im Forstgut Lambach. Klaus Neuberger kümmert sich im Landkreis Cham (Oberpfalz) um mehr als 700 Hektar Wald, 32 Kilometer Forststraße und 8 Kilometer Wanderwege. Geschlagen wird, was nachwachsen kann – 3.000 bis 4.000 Bäume jährlich. Zum Bestand gehören: Weißtannen, Buchen, Fichten. Der Wald soll sich so natürlich verjüngen.

Beate Eichinger

Umweltschutz im Bistum Regensburg

Das Bistum Regensburg überprüft sein Einkaufsverhalten kritisch: Woher wird Papier bezogen? Kann Papier eingespart werden? Wie viel Prozent der Lebensmittel stammen aus ökologischem Anbau? Ab 2020 sollen die Pfarreien hauptsächlich Öko-Strom beziehen, Angestellte der zentralen Bistumsverwaltung bekommen einen Zuschuss zu Job-Tickets, um den öffentlichen Nahverkehr attraktiver zu gestalten. Viele Pfarreien weisen zusätzlich eigene Projekte aus: In Teublitz konnten 90 Prozent des Energieverbrauchs eingespart werden, im Pfarrgarten Viechtach wurden Blühflächen angelegt.

Felix Finkbeiner

Plant for the Planet

Alles begann mit einem Referat: Der neunjährige Felix Finkbeiner beschäftigt sich mit der Rolle von Bäumen für den Klimaschutz. Er beginnt, sich für neue Pflanzungen einzusetzen – und findet auf der ganzen Welt Gleichgesinnte. Das „United Nations Environment Programme“ (UNEP) wird zum Schirmherr. Das Ziel: Weltweit sollen durch verschiedene Akteure 1.000 Milliarden Bäume gepflanzt werden. „Plant for the Planet“ kümmert sich selbst um eine Fläche auf der mexikanischen Halbinsel Yucatan. Seit 2015 wurden dort bereits drei Millionen Bäume gepflanzt, 100 Menschen arbeiten für das Projekt.

Sarah Hadj Ammar

Plant for the Planet

Auch Sarah Hadj Ammar setzt sich für das Projekt ein. Nach ihrem Abitur war sie selbst in Yucatan.

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