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- Autor: Sebastian Walter
- Fotos: siehe Anmerkungen
Mode aus Liebe zum Nächsten
Ultra Fast Fashion
Für Kleidung muss man heute nicht unbedingt viel Geld ausgeben. Beispiel: Shein (gesprochen: She-In). Der chinesische Konzern bietet seine Mode online an. Strick-Top für 1,20 €, T-Shirt für 1,40 €, Kleid für 7,99 €.
Das ist Ultra Fast Fashion: Massenproduktion, kurze Lebensdauer der Textilien, kein Recycling, giftige Chemikalien, günstige Produktion – Kinderarbeit nicht ausgeschlossen. Die Preise sind verlockend und Werbekampagnen und Influencer tun ihr Übriges, um vor allem die Jugend zu erreichen. Kleidung als Wegwerfware. Gleichzeitig ist die rasant wachsende Textilindustrie, vor allem in asiatischen Ländern, der zweitgrößten Wasserverbraucher und -verschmutzer.
Denn, so eine Greenpeace-Studie, die Produktion einer einzigen Jeans verbraucht rund 7.000 Liter Wasser. Nicht selten sind bei der Produktion auch krebserregende, hormonell wirksame oder anderweitig giftige Chemikalien im Spiel, die ihren Weg in die Umwelt finden.
Slow Fashion
Angesichts der Kleiderberge und der erschreckenden Nachrichten über den wahren Preis von Ultra Fast Fashion entstand um das Jahr 2000 eine Gegenbewegung, die sich für Nachhaltigkeit, ökologisches Bewusstsein und soziale Verantwortung in der Modebranche einsetzt. Slow Fashion steht für faire Arbeitsbedingungen, ressourcenschonende Produktionsmethoden und eine längere Lebensdauer von Kleidungsstücken.
Die Bewegung ist ein Trend geworden, an dem heute kaum ein Unternehmen mehr vorbei kommt. Selbst Konzerne, wie Shein, Boohoo oder Asos, beeilen sich, auf ihren Websites, ihr Engagement – oder mindestens ihre Absicht – für Nachhaltigkeit und soziale Verantwortung zu beteuern. Denn umweltfreundliche und faire Produktion sowie Fair Trade-Siegel spielen, Studien zufolge, eine zunehmend wichtige Rolle bei Kaufentscheidungen.
Der neue Luxus in der Mode: Sinn
Fotos _ Eileen Jordan
Auch wenn die Bereitschaft zum Kauf von Slow Fashion in den letzten Jahren durch Pandemie und Wirtschaftskrisen merklich gesunken ist, bleiben bewusster Konsum und nachhaltige Kaufentscheidungen ein Trend. Außerdem wächst unter dem Schlagwort Neo Luxury gerade ein neuer Markt heran, der exklusive Mode mit Sinnstiftung auf einem neuen Niveau verbindet. Die Preise in diesem Segment irritieren auf den ersten Blick – dreistellig für einen Hoodie. Doch in der Nahaufnahme zeigt sich, dass es bei Neo Luxury um viel mehr geht, als um luxuriöse Marken, Extravaganz oder den Kauf eines guten Gewissens. Innovative Labels zeigen, dass sie es ernst meinen mit ihrem Dreiklang aus Qualität, Langlebigkeit und Sinn.
Neo Luxury gegen Altersarmut: G-OLDMAN
Foto _ G-Oldman
Beispiel das junge Startup G-OLDMAN GmbH aus Augsburg. Die erste Kollektion des Labels ist noch übersichtlich und besteht gerade mal aus einem Hoodie und einem T-Shirt. Die Basics sind hochwertig aus Supima-Baumwolle gefertigt und können auf der Website im Virtual Fitting Room digital anprobiert und bestellt werden. Soweit so gewohnt. Doch das ist nur die Oberfläche des bayerischen Startups. Denn hinter G-OLDMAN stehen eigentlich NFTs. Non-Fungible Token (NFT), das sind digitale oder physische Gegenstände oder Grafiken, die im digitalen Raum einmalig identifizierbar sind (Stichwort: Blockchain) und dadurch einen eigenen Wert besitzen. Im Juni 2020 brachte G-OLDMAN seine erste NFT-Kollektion heraus:
3D-Grafiken in 4K-Auflösung, die junggebliebene Senioren in trendigen Freizeit-Outfits zeigen. Die Idee dahinter: Coole Freizeitmode, Golden Ager und digitale Kunst als NFTs zusammenzubringen. Das Unternehmen versprach, zehn Prozent der NFT-Erlöse an Einrichtungen zu spenden, die bedürftige Senioren unterstützen. In der Fachpresse sorgte das Konzept von G-OLDMAN für einiges Aufsehen.
„2022 waren wir eines der schnellst wachsenden NFT-Unternehmen“, erklärt der Gründer Marko Vincze. „Mit unserem Konzept, als Generation Z die Senioren zu thematisieren und zu unterstützen, haben wir viel Beachtung gefunden. Inzwischen haben wir eine große NFT-Community aufgebaut“, sagt der 26-jährige. Nachdem die ersten NFTs auf dem Markt waren, kamen die Textilen. „Wir haben gesehen, dass NFTs dann am besten gehen, wenn sie einen physischen Gegenwert haben. Deshalb haben wir uns entschieden, Textilien zu produzieren. Es sind hochwertig und fair produzierte Kleidungsstücke, die Menschen jedes Geschlechts und jedes Alters tragen können. Mit den Klamotten bewerben wir jetzt unsere NFTs und umgekehrt.“
Wenn ich in der Innenstadt Kaffee trinke, sehe ich immer zwei, drei alte Omis, die vorbeilaufen und in den Mülleimern rumwühlen. Dann denke ich mir immer: Das kann’s doch echt nicht sein.
Marko Vincze, Gründer des Startups G-OLDMAN
Seniorenhilfe durch nachhaltige Mode
Sowohl die NFTs, wie auch die Textilien zahlen auf dasselbe soziale Ziel von G-OLDMAN ein: Die Lebenswelt der Golden Ager ins Zentrum zu rücken, sie quasi auf den physischen oder digitalen Laufsteg zu holen. Und sie konkret zu unterstützen, denn auch von den Erlösen aus dem Textiliengeschäft gehen zehn Prozent an die Seniorenhilfe. „Wenn ich in der Innenstadt Kaffee trinke, sehe ich immer zwei, drei alte Omis, die vorbeilaufen und in den Mülleimern rumwühlen. Dann denke ich mir immer: Das kann’s doch echt nicht sein. Wir beschäftigen uns mit Corona, wir beschäftigen uns mit Krieg und so vielem mehr, aber wem wir die gute Infrastruktur und die Dax-Unternehmen zu verdanken haben, das sind unsere Großeltern! Denen will ich die Aufmerksamkeit geben, die sie verdient haben.“
Markos Idee, Neo Luxury mit dem Thema Altersarmut in einem Metaversum zu vereinen, ist mutig und visionär. Er weiß das. Aber auch, dass viele seiner Kunden die Zusammenhänge zwischen digital und analog noch gar nicht verstehen. „Man kann die Klamotten natürlich auch einfach nur im Shop kaufen, ohne etwas von NFTs zu verstehen. Das ist für viele noch zu kompliziert.“ Doch Marko repräsentiert eine neue Generation, die vernetzt denkt und Ökonomie mit konkreter Verantwortung für die Gesellschaft zusammenbringen will. Deshalb lautet der Slogan von G-OLDMAN auch: „We go beyond Fashion. We connect.“
1C1Y – One Child One Year – Social Luxury aus Liebe zum Nächsten
Auch das Label 1C1Y aus dem baden-württembergischen Waldenburg hat sich wohltätigen Zwecken verschrieben. „Wir glauben, dass Mode die Welt zu einem besseren Ort machen kann.“, lautet ihre Mission. 1C1Y bedeutet: One Child, One Year. Denn mit dem Kauf jedes Kleidungsstücks spendet das Unternehmen 60 € an die gemeinnützige Partnerorganisation ARTHELPS, die Kindern in Not durch Kunstprojekte hilft, Selbstvertrauen und Kraft zu schöpfen, Kreativität freizusetzen und Ängste zu überwinden.
Chef-Designer und kreativer Kopf hinter 1C1Y ist Bernd Keller. Der Berliner ist in der Modebranche kein Unbekannter. Er arbeitete für Hugo Boss, Adidas und Puma und war zuletzt bei Marc O’Polo im Vorstand. Heute ist er gefragter Berater, wenn es um den Aufbau nachhaltiger Modemarken geht, um Social Fashion und natürlich Design.
Mit 1C1Y will Bernd das Schöne und das Gute miteinander verbinden. Minimalistisch Eleganz – Quiet Luxury, wie sich dieser Trend nennt – und die Unterstützung von Kindern weltweit durch ein herausragendes soziales Projekt. Bernd macht keinen Hehl daraus, das sein Idealismus seinem christlichen Glauben entspringt.
„Wir sind alle Christen bei 1C1Y, genauso unsere Freunde bei ARTHELPS. Wir sind überzeugt, dass Glaube eine transformierende Kraft hat, die etwas bewegen kann.“, sagt Bernd. „Als Christ bin ich immer auf der Suche, wie ich mehr von meinen Talenten für Gott einsetzen kann. Und ich glaube, dass ich auch im Bereich der Nichtigkeiten und Oberflächlichkeiten als Christ wirken und Gutes tun kann.“
Dass sich die exklusive Designerware von 1C1Y – 150 € für ein T-Shirt – nicht jeder leisten kann, ist ihm klar. „Wir suchten ein Geschäftsmodell, bei dem 60 € an ARTHELPS gehen können. Und das geht einfach am besten über eine sehr hohe Wertigkeit. Natürlich hätten wir auch Kollektionen auf dem Niveau von Merchandising-Artikeln machen können, bei denen ein T-Shirt einen Wert von vielleicht 15 € hat und wir davon einen Euro abgeben. Aber das würde nicht funktionieren, weil ein Kind eben 60 € für diese kreative Förderung braucht.“
Als Christ bin ich immer auf der Suche, wie ich mehr von meinen Talenten für Gott einsetzen kann. Und ich glaube, dass ich auch im Bereich der Nichtigkeiten und Oberflächlichkeiten als Christ wirken und Gutes tun kann.
Bernd Keller, Designchef bei 1C1Y
Christen in der Modeindustrie
Seinen christlichen Idealismus teilen nicht nur seine Kollegen und 1C1Y-Markenbotschafter, wie Samuel Koch und Michael Patrick Kelly. Inzwischen hat sich um Bernd die Gruppe Christen in der Modeindustrie gebildet. Ein loser Zusammenschluss Gleichgesinnter. „Das ist eine Art digitaler Hauskreis geworden, der inzwischen international ist. Wir beten, tauschen unsere Erlebnisse aus und sprechen darüber, wie man das Christsein in der Arbeit realisieren kann.“ Als eine Boutique in München die Kollektion von 1C1Y ins Programm nahm, inszenierte Bernd die Übergabe der Ware in Form eines kleinen Werbeevents mit Modenschau. „Das war toll. Die Models waren teilweise Kunden. Zu Beginn habe ich gesagt: ‚Wer Lust hat, kann dazukommen zum Beten. Ich bekomme heute noch eine Gänsehaut, wenn ich daran denke. Zwei Drittel der Leute sind gekommen und wir haben gebetet. Das ist es, was ich hoffe: Meinen Glauben vorleben zu können. Das war mein Highlight.“