Künstliche Intelligenz – Der Mensch bleibt unverzichtbar

Künstliche Intelligenz zeigt beindruckende Fähigkeiten. Aber Algorithmen sind eben nicht alles. Klugheit lässt sich nicht auf Datenverarbeitung reduzieren. Verhängnisvolle Fehler vermeiden zu wollen, hat garantiert nichts mit Technikfeindlichkeit zu tun.
Der Mensch ist unverzichtbar trotz Künstlicher Intelligenz – Grandios Magazin

Klugheit ist mehr als Rechenleistung

Künstliche Intelligenz (KI) verarbeitet Informationen erstaunlich kompetent und wird deshalb als „intelligent“ bezeichnet. Klugheit jedoch ist weitaus mehr als reine Informationsverarbeitung. Deshalb soll im Folgenden untersucht werden, ob KI wesentliche Kriterien des klugen Handelns erfüllt. Dabei wird auf Aspekte zurückgegriffen, die der Klugheit unter anderem von Aristoteles, Thomas von Aquin und Josef Pieper zugeschrieben werden.

Klugheit bedarf der Circumspectio (Umsicht). Umsicht verlangt ein weitgehendes Erfassen aller relevanten Aspekte von Situationen. Kluges Handeln wird durch Kontextwahrnehmung geprägt; dabei hilft erfahrungsbasierte Sensibilität, um subtile Zusammenhänge intuitiv erkennen zu können.

Kontext zählt: Warum KI keine Umsicht kennt

Es fehlen die emotionalen oder kulturellen Nuancen

KI-Systeme können simultan eine Vielzahl von Datenquellen auswerten und so ein umfassendes Bild der aktuellen Situation zeichnen – ideal für technische Anwendungen wie autonome Navigation. Trotz beeindruckender Datenintegration fehlt einer KI die Fähigkeit, Informationen mit emotionalen oder kulturellen Nuancen zu verknüpfen, die oft entscheidend für das vollständige Verständnis eines Kontextes sind.

Ein weiterer Aspekt der Klugheit ist die Solertia (Wendigkeit). Damit wird die Fähigkeit bezeichnet, in unvorhergesehenen Situationen besonnen und flexibel zu handeln. Kluge Menschen passen ihre Vorgehensweise an, wenn sich Kontextfaktoren verändern, etwa bei Stimmungsschwankungen eines Gesprächspartners.

Flexibel reagieren? KI bleibt berechenbar

Auch KI-Systeme zeigen beeindruckende Reaktionsfähigkeiten, beispielsweise in der autonomen Steuerung von Geräten. Sie erkennen Muster und verändern ihr Verhalten, wenn sie auf unerwartete Ereignisse stoßen. Dies geschieht jedoch rein algorithmisch: KI „überlegt“ nicht im menschlichen Sinne, sondern folgt programmierten Entscheidungsbäumen und Wahrscheinlichkeitsberechnungen.

Menschliches Gedächtnis vs. maschineller Speicher

Zu dumm: Wir sind vergesslich

Die Memoria (Gedächtnis) eines Menschen bewahrt nicht nur Fakten, sondern auch emotionale, sensorische und kontextbezogene Erfahrungen. Diese Erinnerungen sind lebendig, individuell gefärbt und ermöglichen vertieftes Lernen. Allerdings bewahrt das menschliche Gedächtnis nicht vor Vergesslichkeit; auch werden Ereignisse verdrängt oder Erinnerungen retuschiert.

Der Computer vergisst nicht. KI-Systeme können riesige Datenmengen dauerhaft speichern und abrufen. Dies ermöglicht es, historische Daten exakt und ohne emotionale Färbung zu nutzen – ein klarer Vorteil in Anwendungsbereichen wie der medizinischen Diagnostik und Rechtsprechung. Allerdings fehlt es diesem datenbasierten Speicher an subjektiver Lebenserfahrung. Zudem besteht die Gefahr, dass KI mit verzerrten (biased) Datensätzen gespeist wird, was zu Fehlschlüssen führen kann.

Ein kluger Mensch kennt seine eigenen Wissensgrenzen und ist bereit, im Dialog von anderen zu lernen. Eine solche Docilitas (Belehrbarkeit) ermöglicht den Austausch von Argumenten; dies eröffnet neue Perspektiven und trägt zu einer Verbesserung der Urteilsfähigkeit bei.

Lernen ohne Haltung: KI und die Belehrbarkeit

Was ist mit der inneren Haltung?

KI-Systeme werden kontinuierlich mit Daten gefüttert und können in Dialogsystemen (wie Chatbots) interagieren, was ihre Leistungsfähigkeit stetig verbessert. Sie nehmen neue Informationen auf und passen ihre Modelle an. KI kann also den äußeren Prozess der Belehrbarkeit funktional nachbilden, ohne jedoch die innere Haltung eines lernbereiten Menschen zu besitzen.

Die Fähigkeit zur Providentia (Voraussicht) ermöglicht es dem Menschen, nicht nur das Vergangene und Gegenwärtige zu erfassen, sondern daraus, dank seiner Lebenserfahrung, Intuition und Reflexion, auch zukünftige Entwicklungen vorherzusagen. Dieses Prognosewissen reduziert die Unsicherheit über mögliche Zukünfte und erhöht die Chance, heute das Richtige für morgen zu tun.

KI unterstützt den Menschen durch umfangreiche Datenauswertung dabei, valide Prognosen zu erstellen – sei es in der Klimaforschung oder Finanzwissenschaft. Die Analysen einer KI bleiben jedoch rein quantitativ; sie beruhen auf Wahrscheinlichkeiten und Szenarien, entwickeln aber kein lebensnahes Gespür für das zukünftig Erstrebenswerte.

Warum Vorsicht mehr ist als Risikoberechnung

Cautio (Vorsicht) bezeichnet das achtsame Abwägen aller Risiken, ohne in lähmende Ängste zu verfallen. Vorsichtige Menschen kombinieren rationale Überlegungen mit einem emotional verankerten Sicherheitsgefühl und schützen sich damit vor übereilten Entscheidungen. Zudem fördern moralische Überlegungen in riskanten Situationen oftmals eine abwägende Zurückhaltung.

KI hingegen ermittelt Risiken, etwa in der industriellen Prozesssteuerung, anhand statistischer Modelle und ergreift Maßnahmen zur Gefahrenvermeidung. Diese algorithmisch fundierte Vorsicht beruht jedoch ausschließlich auf Zahlen – ohne ein subjektives Sicherheitsempfinden oder eine moralisch motivierte Zurückhaltung einfließen zu lassen.

Einsicht braucht Intuition – nicht nur Mustererkennung

Fragmentarisches Verständnis der Wirklichkeit

Ein integraler Bestandteil von Klugheit ist der Intellectus (Einsicht), mit dem ein Mensch die Zusammenhänge der Welt durchdringt und versteht, wie die Dinge sind und liegen. Kennzeichnend ist ein Zusammenspiel von analytischem Denken, intuitivem Erfassen und reflexiver Lebenserfahrung.

KI-Systeme erkennen in großen Datensätzen versteckte Muster, die dem menschlichen Intellekt oftmals verborgen bleiben, und identifizieren so auf technisch-mathematische Weise handlungsrelevante Zusammenhänge. Eine solche Einsicht der KI verdankt sich jedoch ausschließlich einer quantitativen Datenanalyse, die nur ein fragmentarisches Verständnis der Wirklichkeit ermöglicht.

Klugheit bedarf der Ratio (Berechnung), die sich insbesondere beim methodischen Abwägen und Treffen von Entscheidungen konkretisiert. Ein solcher Prozess verknüpft analytische, emotionale und intuitive Erwägungen zu einer möglichst alle relevanten Faktoren berücksichtigenden Entscheidung.

KI nutzt komplexe Algorithmen, um enorme Datenmengen zu verarbeiten und daraus logisch optimierte Entscheidungen abzuleiten. Dies hat insbesondere für die Steuerung technischer Prozesse eine nicht zu unterschätzende Bedeutung. Eine solch rein mathematische Abwägung von Optionen führt jedoch zu Entscheidungen, die ausschließlich darauf beruhen, was rechnerisch sinnvoll erscheint, aber qualitative Aspekte des Schönen und Guten vernachlässigt.

 

KI ist leistungsstark – aber nicht klug

Trotzdem zeigt Künstliche Intelligenz in vielen Bereichen beeindruckende Fähigkeiten: Sie ist in der Lage, Umsicht walten zu lassen, flexibel auf neue Situationen zu reagieren, verfügt über ein nahezu perfektes Gedächtnis, lernt kontinuierlich und trifft aufgrund umfangreicher Datenanalysen rationale Entscheidungen. Auch die Vorsicht, Einsicht und Voraussicht sind weitgehend algorithmisierbar.

Unsere Untersuchung der Klugheit verdeutlicht, dass sich ihre Aspekte in einem schrittweisen Prozess konkretisieren. Ausgangspunkt ist eine Analyse der Wirklichkeit, die fundierte Urteile ermöglicht und zu Beschlüssen führt, die Handlungen auslösen. In einen solchen integrierten Entscheidungsprozess fließen Erfahrungswerte, Argumente und Intuitionen ein, die reflexiv erwogen werden.

Zwischen Gut und Böse unterscheiden: Das moralische Defizit der KI

KI-Systeme, wie autonome Fahrzeuge, durchlaufen diesen Prozess ebenfalls, indem sie Daten analysieren, Alternativen bewerten, Entscheidungen treffen und Maßnahmen einleiten. Dieser algorithmisch gesteuerte Prozess vollzieht sich auf elektronisch-mechanische Weise und zeichnet sich durch eine große Effizienz aus, die von generativer KI weiter gesteigert wird.

Klugheit lässt sich jedoch nicht auf effiziente Datenverarbeitung reduzieren. Vielmehr wird sie als Kardinaltugend untrennbar mit einem Streben nach dem Guten verbunden. Ein moralischer Kompass, geformt durch persönliche Erfahrungen, kulturelle Traditionen, emotionale Bindungen, Selbstreflexion und dialogischen Austausch, leitet den Klugen bei der Unterscheidung zwischen Gut und Böse und verleiht seinen Entscheidungen eine ethische Tiefenschärfe.

KI hingegen besitzt kein eigenes moralisches Empfinden und vermag nicht aus sich heraus zwischen Gut und Böse zu unterscheiden. Zwar kann KI mittels vordefinierter ethischer Regeln und kasuistischer Modelle so programmiert werden, dass sie in kritischen Situationen scheinbar das „Richtige“ tut, doch dies bleibt eine funktionale Simulation von ethischer Reflexion, ohne moralische Grundierung. Künstlicher Intelligenz fehlt es an Wertmaßstäben und moralischer Urteilskompetenz. Da KI im Unterschied zum Menschen nicht auf sich selbst reflektieren kann und keine Intentionen verfolgt, ist sie stricto sensu überhaupt nicht fähig, absichtsvoll zu handeln, sondern reagiert nur auf elektronische Impulse.

KI könnte klüger machen

Der Mensch bleibt Träger der Verantwortung

Gerade in unserer Gefahrenzivilisation, in der technologische Entwicklungen und ethische Herausforderungen eng miteinander verwoben sind, bleibt der Mensch eine unverzichtbare Instanz der Klugheit; er allein kann Verantwortung übernehmen für das Wahre und Gerechte, Gute und Schöne in unserer Welt von heute, in der wir die Grundlagen dafür legen müssen, dass morgen noch menschenwürdiges Leben auf diesem Planeten möglich sein wird.

Dazu vermag KI einen wichtigen Beitrag zu leisten, von der Datenanalyse bis zur Entscheidungsfindung. Nur mit KI ist der Mensch in der Lage, problemadäquate Klimaprognosen zu erstellen, Szenarien zu generieren und Maßnahmen zu entwickeln, um eine drohende Klimakatastrophe zu verhindern. Ohne KI wären die weltweiten Versorgungssysteme für Energie, Gesundheit und Kommunikation nicht mehr zu steuern und Risiken, wie etwa der Atomtechnologie, unbeherrschbar. Es ist deshalb geboten, die sich ergänzenden Fähigkeiten von künstlicher und humaner Intelligenz in hybriden Systemen zusammenzuführen. Darin muss immer ein menschlicher Entscheidungsträger die letzte Verantwortung übernehmen, die nicht an eine Maschine delegiert werden darf.

Fazit: Klüger handeln mit, nicht durch KI

Es wäre ein verhängnisvoller Fehler zu unterstellen, dass KI von sich aus in der Lage wäre klug zu handeln. Mit ihren vorprogrammierten Reaktionsmustern und datenbasierten Prognosen erweckt KI zwar den Eindruck, „als ob“ sie klug handeln würde. Dazu ist jedoch nur der Mensch in der Lage, der allerdings mit Hilfe von KI noch klüger handeln könnte.

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