- Autoren: Benedikt Bögle & Tobias Limimski
- Fotos: Bernhard Spoettel
Christoph Waffenschmidt von World Vision im Interview
„Wir sind da, wo Not herrscht“
Christoph Waffenschmiede
Christoph Waffenschmidt weiß, dass er Vertrauen gewinnen muss. Seit 2008 ist der ehemalige Politiker Geschäftsführer von „World Vision Deutschland“. Die Hilfsorganisation ist weltweit in rund 100 Ländern vertreten. „Wir nehmen die ganze Welt in den Blick. Das machen wir vor allem für die Kinder.
Wir sind ein Kinderhilfswerk – und ganz bewusst sagen wir: ein christliches Kinderhilfswerk“, erklärt Christoph Waffenschmidt im Gespräch mit GRANDIOS. „World Vision“ leistet dafür auch politische Arbeit. Die Rechte und die Stimme der Kinder sollen in der Politik wahrgenommen werden. Genauso wichtig ist aber die Entwicklungsarbeit: „Wir sind da, wo ganz konkret Not herrscht.“
Jedes Kind ist vor Gott gleich - Dafür steht World Vision
„Wir wollen uns gerade in den vergessenen Krisenregionen für Kinder einsetzen“, sagt Christoph Waffenschmidt und verweist auf die „World Vision“-Projekte im Südsudan, in Somalia und in der Zentralafrikanischen Republik. Viele Kinder sind auf der Flucht. „Sie können gar nicht Kind sein. Wir schaffen Räume und Möglichkeiten, in denen sie lernen oder spielen können – dass sie einfach Kind sein können.“
Für Waffenschmidt basiert diese Arbeit auf einem einfachen Grundgedanken: Jeder Mensch und jedes Kind ist vor Gott gleich – ganz egal, wo auf der Welt und in welcher Situation es geboren wird. Das drängt ihn zum Einsatz für die Kinder, denen es schlecht geht. „Wir leisten humanitäre Arbeit. Wir machen das aus der Motivation des Glaubens heraus“, so Waffenschmidt gegenüber GRANDIOS.
Diese Arbeit leistet „World Vision“ auf der ganzen Welt – von Guatemala bis zur Mongolei, von Armenien bis Madagaskar. Das Team von „World Vision“ ist dabei wie alle anderen Hilfsorganisationen auch auf Spenden angewiesen: „Wir müssen Leute gewinnen. Die müssen darauf vertrauen, dass das Geld ankommt“, so Waffenschmidt. Die Spender müssen sich sicher sein, dass ihr Geld nicht an den falschen Stellen versickert und dass damit nicht nur ein aufgeblasener Verwaltungskomplex finanziert wird.
Dieses Vertrauen müssen sich Waffenschmidt und seine Mitarbeiter erst einmal erarbeiten. 80 bis 85 Prozent des Spendenaufkommens gehen direkt in die Projekte; den Rest gibt „World Vision“ für Werbung und Verwaltung aus. Ganz ohne Verwaltung geht es nicht – Projekte müssen ausgesucht und begleitet, neue Spenderinnen und Spender geworben werden. Das sei im Vergleich mit anderen Institutionen eine gute Zahl, sagt Waffenschmidt. „Wir strengen uns an, so effizient wie möglich zu arbeiten.“ Die Organisation berichtet regelmäßig über Finanzen und Projekte, wurde mit dem Spendensiegel des „Deutschen Zentralinstituts für soziale Fragen“ ausgezeichnet.
Ob Meghan Markle oder Álvaro Soler: Werbung muss authentisch sein
68 Millionen Spendenvolumen – „World Vision“ baut dabei aber nicht nur auf Vertrauen, sondern auch auf Kontrolle. Transparenz sei besonders wichtig, um Vertrauen erarbeiten zu können, meint Waffenschmidt. Die Spenderinnen und Spender müssen sehen können, was mit ihrem Geld erreicht wird. Dafür bietet die Organisation immer wieder Reisen zu konkreten Hilfsprojekten an; schon nach kurzer Zeit sind diese Reisen regelmäßig ausgebucht. „World Vision“ ist in Deutschland als Verein strukturiert; Waffenschmidt muss als Vorsitzender über seine Tätigkeit berichten, kontrolliert wird er unter anderem von der Mitgliederversammlung.
Die Finanzen werden von einem Wirtschaftsprüfer kontrolliert, für Geldflüsse gilt das Vier-Augen-Prinzip. Immerhin: Gut 68 Millionen Euro kamen im Finanzjahr 2020 zusammen. Geld, mit dem „World Vision“ versucht, das Leid auf der Welt zumindest ein klein wenig zu lindern. Immer wieder sind Waffenschmidt und seine Leute mit diesem Leid konfrontiert. Hält man das aus – gerade als Christ, der doch an einen gütigen Gott glaubt? „Gott hat uns als Menschen ganz viel Verantwortung gegeben. Wir haben die Aufgabe, uns für eine Veränderung der Welt einzusetzen.“
Ein Kind mit dem Namen „Flüchtling“
Das Leid der Welt wird für den Geschäftsführer zum Ansporn für seine Arbeit. Vor vier Jahren etwa traf er im Norden Iraks eine Mutter und ihr etwa sechs Monate altes Kind. Das Kind, so berichtete ihm die Frau, sei ihr drittes; sie musste vor dem Islamischen Staat (IS) fliehen. Dessen Kämpfer hatten ihren Vater getötet, dann ihren Bruder. Die Frau floh und kam in die geschützten Gebiete im Norden Iraks. Das Kind trug einen kurdischen Namen, Waffenschmidt fragte nach seiner Bedeutung: „Flüchtling“. Er war erschüttert: „Sie hat ihr eigenes Kind ‚Flüchtling‘ genannt. Ich will nicht, dass Mütter ihr Kind ‚Flüchtling‘ nennen müssen.“
Das Leid der Welt wird für den Geschäftsführer zum Ansporn für seine Arbeit. Vor vier Jahren etwa traf er im Norden Iraks eine Mutter und ihr etwa sechs Monate altes Kind. Das Kind, so berichtete ihm die Frau, sei ihr drittes; sie musste vor dem Islamischen Staat (IS) fliehen. Dessen Kämpfer hatten ihren Vater getötet, dann ihren Bruder. Die Frau floh und kam in die geschützten Gebiete im Norden Iraks. Das Kind trug einen kurdischen Namen, Waffenschmidt fragte nach seiner Bedeutung: „Flüchtling“. Er war erschüttert: „Sie hat ihr eigenes Kind ‚Flüchtling‘ genannt. Ich will nicht, dass Mütter ihr Kind ‚Flüchtling‘ nennen müssen.“
Über das irdische Leben hinaus
Solche Erfahrungen bremsen sein Engagement nicht. Im Gegenteil: Sie sind Anreiz, sich noch mehr einzusetzen. Da spielt es auch eine Rolle, dass Waffenschmidt Christ ist: „Ich glaube an die Ewigkeit; daran, dass es weitergeht – auch über unser irdisches Leben hinaus. Das ist ein großer Hoffnungsauslöser. Glaube bewirkt Hoffnung.“
Waffenschmidt kann für seine tägliche Arbeit auch einen festen Anker benennen: „Für mich ist der größte Anker meine Gottesbeziehung, mein Vertrauen in meinen Schöpfer.“ Dieses Urvertrauen habe er bereits bei seinen Eltern gelernt. „Wenn ich scheitere oder wenn Beziehungen kaputt gehen – Gott bleibt der gleiche. Das ist mein Anker. Mein Vertrauen in Gott ist die Grundlage.“
Ohne Nähe gibt es kein Vertrauen.
Christoph Waffenschmidt
Waffenschmidts Weg zu „World Vision“ könnte man als Berufung bezeichnen. Eigentlich war der Politiker erfolgreich: In seiner Heimatstadt Waldbröl in Nordrhein-Westfahlen war er mit nur 29 Jahren zum Bürgermeister gewählt worden. Zweimal hatte er bei den Wahlen das Vertrauen vieler der rund 20.000 Einwohner gewonnen. Waffenschmidt hätte sich auch gut vorstellen können, für den Landtag in Nordrhein- Westfahlen oder sogar für den Bundestag zu kandidieren – dazwischen aber kam das Angebot, als Geschäftsführer für „World Vision“ zu arbeiten.
Früh schon hatte sich der CDU-Politiker für andere eingesetzt, engagierte sich etwa in den 1990er Jahren für Hilfstransporte in Kriegsgebiete auf dem Balkan. Als Politiker war ihm besonders die Nähe zu den Wählern wichtig. „Mein Verständnis als Bürgermeister war: Die Bürger haben mich gewählt. Sie haben auch einen Anspruch darauf, meine Nähe zu erleben.“ Überhaupt: Ohne Nähe gibt es kein Vertrauen, findet Waffenschmidt.
Hoffnung auf eine bessere Welt
Jetzt setzt Waffenschmidt sich nicht mehr für Kommunalpolitik, sondern für Kinder ein. Ohne die Hoffnung auf eine bessere Welt sei das aber gar nicht möglich, sagt er. Das hat für ihn auch etwas mit Vertrauen zu tun. Waffenschmidt vertraut darauf, dass es mit dieser Welt bergauf geht. Vor über einem Jahrzehnt sollen jährlich rund 12 Millionen Kinder an vermeidbaren Krankheiten gestorben sein, berichtet Waffenschmidt – an Malaria oder schlicht an Durchfall. Diese Zahl hat sich innerhalb von rund 10 Jahren mehr als halbiert. „Die Welt entwickelt sich auch unwahrscheinlich positiv. Diese Entwicklung ist vertrauenswürdig.“ Der Mensch kann viel erreichen; er kann sich für das Gute einsetzen und die Welt verbessern. „Meine Botschaft ist: Lasst uns Vertrauen haben!“