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Ausgabe 05 Geschenk

Ehrenamt Schutzengel

Lesedauer: ca. 4 Min.

Autor: Georg Lehmacher | Fotos: Bernhard Spoettel

EHRENAMT SCHUTZENGEL

Sie opfern ihre Freizeit und riskieren ihr Leben. Sie gehen für andere durchs Feuer und sind Retter in höchster Not. Freiwillige Feuerwehr: Das ist viel mehr als ein brandheißes Hobby. Mit dem Schutzengel haben schon viele Feuerwehrleute Bekanntschaft gemacht. Dabei werden sie selbst oft für einen gehalten.

EINS EINS ZWEI

„Ja klar sind da Wut und Zorn, aber am Ende überwiegt doch die Dankbarkeit“, sagt Jonas Elste. Der Feuerwehrmann erinnert sich an eine ganze Serie belastender Einsätze. Ein Brandstifter hatte in Marktredwitz fast 25 Wohnhäuser, sieben Fahrzeuge und drei Industrieanlagen in Brand gesetzt. Rund ein Jahr ist das jetzt her. Nur mit viel Glück wurden die meisten Brände rechtzeitig bemerkt. Die Feuerwehr konnte löschen. Ein Wohnhaus brannte ab. Da konnte auch die Feuerwehr nichts mehr retten. Eine Familie wurde obdachlos, die Flammen raubten ihr gesamtes Hab und Gut.

„Das sind Momente, die wütend und traurig machen“, betont Jonas Elste. 19 Jahre ist er jung und bereits seit sieben Jahren bei der Feuerwehr. Trotz der Konfrontation mit ernsten Notlagen, die mancher Einsatz mit sich bringt: am Ende tritt das für ihn in den Hintergrund. Die Freude darüber, dass in den meisten Fällen der Schaden gering bleibt, und das eigene Handeln mit dazu beigetragen hat, überwiegen bei Jonas.

Vom Glück, anderen helfen zu können

Zur Feuerwehr kommt er schon im Alter von zwölf Jahren. Der ehemalige Jugendwart der Feuerwehr spricht ihn an. „Da alle meine Freunde auch bei der Jugendfeuerwehr waren, fiel es mir nicht schwer, mich anzuschließen. Bei uns auf dem Land sind aus fast jeder Familie ein bis zwei Leute bei der Feuerwehr“, erklärt Jonas.

Mit zwölf empfindet er es als Abenteuer bei Übungen und Schulungen dabei zu sein. Er darf all das lernen, was die erwachsenen Feuerwehrkameraden auch trainieren: Schlauchleitungen verlegen, die Betreuung aufbauen, die Pumpe bedienen. Nur Atemschutzübungen bleiben Erwachsenen vorbehalten. Später beginnt Jonas eine Schreinerlehre – und bleibt der Feuerwehr treu.

Mit siebzehn fährt er das erste Mal einen Einsatz. Weil er noch nicht volljährig ist, bleibt er zunächst nur außerhalb des Gefahrenbereichs „vor dem Hydranten“, wird aber dort bereits voll eingesetzt.

Wer sein Leben einsetzt, muss wissen, was er tut

Was motiviert einen jungen Menschen dazu, statt eines „normalen“ Hobbys, seine Freizeit der Feuerwehr zur Verfügung zu stellen?

„Es macht glücklich, helfen zu können und zu erleben, dass Dinge gut ausgehen: Bis auf einen Traktor, der abgebrannt ist, hatten wir bei 40 Bränden keine größeren Schäden. Wir wurden immer sehr schnell alarmiert, die Brände waren rasch gelöscht. Geschwindigkeit und Können haben dazu beigetragen – aber auch Glück gehört dazu.“ Glück, wie Jonas das nennt, brauchen auch Feuerwehrleute selbst immer wieder. Bei ihren Einsätzen sind sie Gefahren ausgesetzt. Sie gehen für andere sprichwörtlich durchs Feuer. Dafür braucht es Mut, Umsicht und jede Menge Übung. Wer sein Leben und seine Gesundheit einsetzt, um Menschen in Lebensgefahr zu helfen, muss genau wissen, was zu tun ist. Draufgängertum ist bei der Feuerwehr fehl am Platz. Statt sich kopflos in Mutproben zu stürzen, benötigt man einen klaren Verstand. Auch um sich selbst nicht unnötig in Gefahr zu bringen. Doch Risiken bleiben – trotz aller Vorsichtsmaßnahmen.

Oft hat man den Eindruck, da ist eine schützende Hand im Spiel

„Einmal hatten wir wirklich viel Glück“, erinnert sich Jonas. „Beim Löschen eines Flächenbrandes drehte der Wind. Da ist das Löschfahrzeug angekokelt. Im schlimmsten Fall hätte uns das Feuer eingeschlossen. Noch bevor wir löschbereit waren, brannte es um uns herum. Es ging unglaublich schnell: innerhalb einer halben Minute umschloss uns das Feuer, von dem wir gerade noch rund fünfzig Meter entfernt waren.“ Am Ende ging alles gut aus, wie so oft. Einfach nur Glück gehabt? Oder ist da mehr? Jonas überlegt: „Bei den Einsätzen hat man oft das Gefühl einer starken und schützenden Hand über den Menschen.“

Nachdenklich schildert er einen schweren Unfall, zu dem er und seine Kameraden gerufen wurden: „Letztes Jahr kamen wir zu einem Verkehrsunfall. Ein Anhänger hatte sich aufgeschaukelt und das Auto davor einen Hang hinuntergerissen. Der Wagen hatte sich förmlich um die Bäume gewickelt. Wir mussten das Auto aufschneiden, um die Menschen zu befreien. Es war mit dem Schlimmsten zu rechnen: Schwere Verletzungen, vielleicht mehrere Tote. Aber bis auf einige Schnittwunden und einen Knochenbruch bei einem Verunglückten blieben die Insassen unverletzt.“ Jonas hält inne. Dann fügt er hinzu: „Es war nicht logisch, dass das so gut ausgegangen ist. Dass es so etwas wie einen Schutzengel gibt, wird in solchen Momenten spürbar – das betrifft oft auch uns selbst. Trotz der Grundregel ,Eigenschutz vor Fremdschutz‘ vergisst man in der Eile des Helfens manchmal sich selbst.“ Dass es dennoch immer wieder gut ausgeht, empfindet Jonas als Zeichen. „Man hat im Rückblick das Gefühl, dass irgendwer da war, der einen beschützt hat. Eine innere Stimme meldet sich manchmal und sagt: ,Bis hierhin ja, aber keinen Schritt weiter.‘ Man ist in der Gefahr nie alleine.“

Stoßgebete mitten im Einsatz

Für Jonas ist das ein Grund zur Dankbarkeit. „Wir haben jährlich die Floriansmesse für alle Feuerwehrleute. Da sind die evangelischen Feuerwehrleute genauso dabei. Den heiligen Florian verehren die meisten genauso, wie wir Katholiken.“

Bittet man im Einsatz um Hilfe? „Ja“, erklärt Jonas. „Natürlich ist es eher ein Stoßgebet, in dem man um die Hilfe Gottes für die Menschen und für sich selbst bittet. Man wird durch das Gebet bestärkt in dem, was man tut, kann mehr leisten, als man für möglich hält. Und man erfährt eine Sicherheit, dass das, was man getan hat, das Bestmögliche war und kann es eher hinnehmen, wenn etwas nicht gelingt.“

Jonas kennt auch Situationen, die einen nicht so leicht wieder loslassen. „Warum musste etwas so kommen? Solche Gedanken kommen bei tragischen Ereignissen schon auf“, sagt er. „Mit blöden Zufällen oder dem Verschulden von Menschen kann man sich schwer abfinden. Aber darauf hat Gott keinen Einfluss. Der Mensch ist frei, er hat die Verantwortung für sein Leben und für das, was er tut.“

Wichtig sind nicht nur die Einsätze selbst, sondern auch die Nachbesprechungen. „Da kommt dann auch das miteinander Leben und Arbeiten zur Sprache, aber auch Themen rund um den Glauben und die Kirche“, sagt Jonas. Ein Leben ohne Feuerwehr kann er sich nicht vorstellen. „Ich möchte Menschen helfen. Aber auch die Kameradschaft mit anderen, die helfen wollen, ist eine wichtige Sache. Für Menschen in Not da zu sein, hat eine hohe Anziehungskraft.“