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Autorin Theresa Baier | Foto Tabitha Turner

Endstation Liebe

Wenn wir uns die eigene Sehnsucht abtrainieren, bleibt die Oberflächlichkeit

Nur zufällig nähern sich ihre Hände. Beide suchen nach einem Haltegriff in der völlig überfüllten U-Bahn. Als sie danach greifen, berühren sich ihre Finger kurz. Ein intensiver Blickkontakt. Die Augen der Kinobesucher richten sich gebannt auf die Leinwand. Herzen schmelzen.

Manche tun sie als Mythos ab, doch die meisten sehnen sich danach: wahre Liebe. Gilt es jene Person zu finden, die für einen bestimmt ist, den berühmten Seelenverwandten? Gibt es die eine Liebe, die ein ganzes Leben erfüllen kann? Oder sprechen wir vorsichtiger, zeitgemäßer, realistischer von Lebensabschnittspartnern? Gibt es den Richtigen oder die Richtige tatsächlich und wie erkenne ich ihn oder sie? „Du weißt es einfach. Dir wird plötzlich alles glasklar sein“, antwortete meine Mutter stets. „Na, vielen Dank, das ist ja hilfreich“, dachte ich mir. Als junges Mädchen war ich überzeugt, im falschen Jahrhundert gelandet zu sein.

Gibt es Beziehungen mir ewiger Treue? Klar – für Hundehalter

Ich stellte mir vor, wie Elizabeth Bennet in „Stolz und Vorurteil“ in einer Zeit zu leben, in der Männer Verantwortungsbewusstsein an den Tag legen und echte Gentlemen sind. Elizabeth war zum Ärger ihrer Mutter wählerisch, als es um die Wahl ihres Ehemanns ging. Sie sehnte sich nicht nach einem Mann als Sicherheitsfaktor, sondern strebte nach Größerem. Sie wollte warten und fand schließlich ihren Mr. Darcy, der sich nicht nur als wahrer Kavalier entpuppte, sondern als die Liebe, nach der sie sich immer gesehnt hatte. Ihr Warten hatte sich gelohnt. Gibt es das noch? Oder ist die wahre Liebe ausgestorben?

Heute dominiert zunehmend Resignation: Kurzzeitbeziehungen und hohe Scheidungsraten haben das Sehnsuchtsbild lebenslanger Liebe beschädigt. Groß zu träumen scheint pure Zeitverschwendung. Gibt es Beziehungen mit ewiger Treue? Klar, für Hundehalter! Wenn wir uns die eigene Sehnsucht abtrainieren, bleibt die Oberflächlichkeit. Jeder möchte glücklich sein, aber umsonst, jedenfalls billig und schnell. Viele merken irgendwann, dass diese Wege in Sackgassen führen. Die innere Navi-Stimme wiederholt mit Penetranz: „Bei nächster Gelegenheit bitte wenden.“ Aber wer hört schon auf das Navi?

Mr. Trouble und Mr. Right

„Gebt euch nicht mit der Mittelmäßigkeit zufrieden“, rief Papst Johannes Paul II. einst zehntausenden Jugendlichen beim Weltjugend-tag zu. Glück kostet was. Es bedeutet viel Arbeit, eine lebenslange Bindung auf ein sicheres Fundament zu bauen. Granitstein ist bekanntlich teurer als Sand, dafür ist er haltbarer.

Wir wollen beides: Jemand, der mit uns in den Zug des Lebens einsteigt und verspricht, nie wieder aus diesem Abenteuer auszusteigen. Wir streben nach Dauerhaftigkeit und wahrem Glück. Das ist der Grund, warum Popsängerinnen wie Taylor Swift und Adele Millionärinnen sind: weil sie über Liebeskummer und Sehnsucht singen. „I knew you were trouble, when you walked in”, singen 14-jährige im Club. Warum entscheiden sie sich trotzdem, sich auf Mr. Trouble einzulassen und nicht auf Mr. Right?

Die Mentalität des Konsumierens zerschellt an der Wirklichkeit

Für immer neue Bekanntschaften gibt es heute die App. Tinder herunterladen, Profil erstellen und schon kann man wischen. Nach links oder nach rechts: die Guten ins Töpfchen, die Schlechten ins Kröpfchen. Ein modernes Märchen. Der Zukünftige soll bestimmte Eigenschaften und Merkmale besitzen. Er soll stark sein, nicht wie ein Wrestler, aber mit Sixpack. Er soll groß, lustig, intelligent, sensibel, romantisch, sportlich und taff sein. Die Liste zieht sich. Prinz gefunden: ein Partner, bestellt und zugeschnitten wie ein Kleid bei Asos. Das Problem ist nur: Menschen kommen schon vorprogrammiert. Unsere Wunschliste ist eine Utopie, die kein Mensch erfüllen kann. Nur in Hollywood existiert der perfekte Partner als Garant für das große Glück. Unsere Mentalität des Konsumierens zerschellt an der Wirklichkeit. Um der Liebe Willen: gut so!

Äußerliche Schönheit verblasst mit der Zeit. Geht es nur um Äußerlichkeiten? Ist uns sonst nicht Ganzheitlichkeit immer besonders wichtig? „Liebe macht blind!“, sagt ein Sprichwort. Die Gegenthese entspringt unserer Sehnsucht: Wahre Liebe macht sehend, lässt den anderen erkennen. Der englische Schriftsteller C. S. Lewis, den man eher nicht als Romantiker kennt, schrieb über das Verlangen des Mannes nicht nach irgendeiner, sondern nach einer einzigen, ganz bestimmten Frau: „Auf geheimnisvolle aber ganz unbestreitbare Weise verlangt der Liebende nach der Geliebten selbst, nicht nach der Lust, die sie bereiten kann.“ Es gibt sie also, die wahre Liebe, die nicht nach dem eigenen Nutzen fragt. Der „Nutzen“ kommt in ihrem Vokabular nicht vor, dafür aber das Genießen.

Werbung und Medien offerieren Sexualität als etwas, das man gebraucht, um sich selbst zu genießen, etwas, das man nehmen kann, um Befriedigung zu erfahren. Die „Theologie des Leibes“ von Johannes Paul II. spricht eine völlig andere Sprache. Ihre spannende Botschaft lautet: In der Sexualität schenke ich mich dem anderen ganz, bedingungslos, frei, lebensschenkend und fruchtbar.

Erfolgsrezept: All in

Gibt es ein Geheimrezept für gelungene Beziehungen? Spricht noch etwas dafür, zu heiraten, wenn die Ehe so oft zum Scheitern verurteilt ist? Für den kanadischen Psychologen Jordan Peterson ist die Ehe „ein Ort, an dem Menschen die Seile ihres Lebens zusammenbinden können, damit sie stärker sind“. Liebe kann nur hundert Prozent geben, sie „fordert alles und ganz mit Recht“, schreibt Ludwig van Beethoven in einem Brief an seine Geliebte. Jeder von uns hat nur ein Leben, einen Leib, ein Herz. Die Logik der wahren Liebe lautet darum: „All in! Alles auf eine Karte.“

Hand aufs Herz: Wir sehnen uns danach, bedingungslos geliebt zu werden – ohne zeitliche Beschränkung und Vorbedingungen. Trotzdem misstrauen wir dieser Sehnsucht. Wir meinen, Liebe mit Leistung, Reichtum und Schönheit verdienen zu können. „Ich will dich lieben, achten und ehren, in Gesundheit…in guten Tagen…bis es mir nicht mehr gut geht mit dir…“ Soll es das sein? Liebe, die sich ein Leben lang in immer neuer Vergebung mit steten Neuanfängen bewährt, wächst in die Tiefe. „Ich erkannte: Was die Kirche vorschlägt, entspricht viel mehr meiner Person als das, was mir die Gesellschaft rät“, sagt Johanna Monroy, für die die Theologie des Leibes in ihrer eigenen Ehevorbereitung ein absoluter Gamechanger war. Die 33-jährige ist seit drei Jahren glücklich verheiratet und beschreibt die Ehe als das schönste Abenteuer.

Den wahren Gefährten haben wir nicht für ein exotisches Treffen, sondern für die „highest of highs“ und „lowest of lows“, für die nächsten 20.000 Abendessen unseres Lebens. Das alttestamentliche „Hohelied“, dessen Entstehung man in die persisch-hellenistische Zeit des 3. vorchristlichen Jahrhunderts datiert, ist eine der ältesten Schriften der Menschheit über die Liebe. Hier stoßen wir auf einen merkwürdigen Vergleich: „Stark wie der Tod ist die Liebe.“ Beide haben gemeinsam, dass man sie nicht ausprobieren kann. Darin liegt ihre Macht, ihr Ernst. Wie wir den Tod nicht ausprobieren, indem wir tief schlafen, können wir die wahre Liebe nicht ausprobieren. Man muss alles wagen, damit sich die Liebe voll entfalten kann.

Der Liebe billige Kopien

Das Wort „Liebe“ ist wohl das am meisten missbrauchte und missverstandene Wort. Es wird auch zur Beschreibung von Verhaltensweisen gebraucht, die das Gegenteil von Liebe sind. „Make love not war“, lautete ein Slogan der Hippies in den 1960er Jahren, als könne man Liebe „machen“, um Krieg zu verhindern. Zumal: Wo die Liebe zum Konsumgut degradiert wird, kommt es zu ganz anderen Kriegen.

Was macht die „pure Essenz“ wahrer Liebe aus? Kann man sie sezieren? Liebe entfacht nicht nur ein chemisches Feuerwerk im Gehirn, definiert sich nicht nur durch Emotionen, Hormone oder Kitsch. Wir sind berufen zu lieben, heißt auch, einander zu dienen. Das wiederum verlangt Opfer. Aber, wenn nicht die Liebe jedes Opfer wert wäre – was dann?

Infobox “For me”

„For me“ ist ein gemeinnütziges Format, das es sich zur Aufgabe gemacht hat, die Botschaft des heiligen Papstes Johannes Paul II. von der Liebe und der Theologie des Leibes jungen Menschen nahe zu bringen. „Wir sind auf unterschiedliche Weise mit der Lehre von Papst Johannes Paul II. in Berührung gekommen. Dieser große Heilige hat durch seine Theologie des Leibes eine neue Sprache auf Basis der Sexualität gefunden, um den Plan Gottes für ein wirklich glückliches Leben verständlich zu machen“, sagt Achim Neuhaus von „For me“. „Was wir dadurch erfahren haben, ist uns zur tiefen Inspiration für die Gestaltung unseres Lebens geworden. Dieses Potential möchten wir nutzen und damit viele Menschen erreichen.

Dazu haben wir das Format der FOR ME Wochenenden entwickelt, um in dieser neuen und verständlichen Sprache die befreiende Botschaft der Liebe in die Welt zu bringen.“ Träger der „For me“-Initiative ist die TOBIAS Foundation.

Wer mehr dazu erfahren möchte: www.for-me.io