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Illustrationen: Carina Crenshaw

Falsche Freunde

Der Materialist

More money, more friends.

Wenn er Werte sagt, dann meint er wertvolle Dinge. Und von denen kann er nicht genug haben. Was er begehrt, darf glitzern wie ein Barren Gold oder wie ein geschliffener Diamant – muss aber nicht. Es darf alles auch aus Papier oder Plastik sein oder sogar aus Daten (Bitcoins) bestehen. Der Materialist lächelt über Leute, die von Spaziergängen mit dem Hund schwärmen oder von einem Roman, den sie gerade lesen. Das ist doch verschwendete Zeit, sagt er, damit ist doch kein Cent verdient.

Der Unverwundbare

Er geht davon aus, dass Angriff die beste Verteidigung ist. Die anderen müssen ihn nicht mögen. Wenn sie ihn fürchten, ist ihm das eigentlich lieber. Er will für alle Fälle gewappnet sein. Nur wenn das Magazin seiner Waffe gefüllt ist, fühlt er sich stark und groß. Bloß: nicht selten geht der Schuss dann irgendwann nach hinten los.

Der Wunderheiler

Never lets me down

Wenn die Sonne nicht scheint, wenn es dunkler ist als in der Nacht, wenn der Schlaf nicht hilft und kein auf­muntern­des Wort, dann sucht manch ein Ver­zweifel­ter am falschen Ort. Das kann eine Schublade im Medi­zin­schrän­kchen sein. Da liegen die Tabletten und Pillen und versprechen: Ich bin dir zu Willen. Das kann mal gut gehen … aber nicht auf Dauer. Die Sucht liegt immer auf der Lauer.

Der Flaschengeist

Dieser Freund ist nie verreist. Er ist dabei, wenn du deine Clique im Wirtshaus oder im Club triffst. Er lächelt dich mit fröhlichem Etikett aus dem Regal an – im Supermarkt, in der Tankstelle, im Kühlschrank. Er ist einfach immer für dich da, wenn du ihn brauchst. Aber wenn du ihn zu oft brauchst, zeigt er sein anderes Gesicht. Dann macht er dich zur Flasche. Dann macht er dich leer. Dann bist du das Pfand in seiner Hand.

Der Unwiderstehliche

Give me more, more more.

Es ist ja eigentlich schön, es ist ja eigentlich unsere Natur. Nur … ja, man kann es übertreiben – und wie bei allen leiblichen Süchten kann man sich durch maßlose Gier durchaus auch selbst entleiben. Wenn die Lust zur Last wird, dann ist das also kein kleines Problem. Zwischen unwiderstehlich und widerlich ist plötzlich kaum noch ein Unterschied. Eine liebevolle Beziehung ist so am Ende vom Lied. Die letzte Strophe ist die Katastrophe.

Schönheit pur

Wer erträgt so etwas nur? Die Vorbilder lassen dich keine Sekunde aus den Augen, weil du sie keine Sekunde aus den Augen lässt. Aber immer sind sie einen Schritt weiter als du. Die Muskeln sind dicker, die Taillen sind dünner, die Brüste straffer, die Haut glatter, das Lächeln strahlender. Da geht also immer noch was – in Richtung Selbsthass. Wenn mal alle optimiert und operiert sind, dann kommt das große Retro: der gemütliche Bauch, die Charakternase, der sensible Schlaks, der interessante Typ, der hinreißende Normalo. Aber ohne Dings: Mir hier sans ollawei bodenständig, seit jeher.