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Ausgabe 03 Identität

A Lebn ohne Musi? Niemois!

Redaktion: Tobias Liminski I Fotografie: Bernhard Spoettel

A Lebn ohne Musi? Niemois!

Sie könnten nicht unterschiedlicher sein. Auf der einen Seite Yudania Gomez, die gelernte Musikerin und leidenschaftliche Tänzerin aus Kuba – auf der anderen Beni Hafner, der junge Bayer mit seiner Gitarre in den Händen und Blues im Blut. Yudania studiert Musik an der katholischen Hochschule für Kirchenmusik und Musikpädagogik in Regensburg. Beni feilt an seiner Musikkarriere als Oimara. Der Oimara ist ein junger Mann von der Hafner-Alm, der das bayerische Lebensgefühl in seinen Liedern zum Ausdruck bringt. Yudania komponiert, spielt Klavier und Orgel, singt und leitet einen Männerchor – Beni tritt wahlweise alleine oder mit seinen Kollegen zu dritt auf und gilt als Virtuose an der Gitarre. Wenn er einen Rhythmus, eine Melodie oder Harmonie hört und spürt, verarbeitet er sie in seinen Liedern. Die ersten Akkorde seines Musikerlebens waren von Bon Jovi. Daraus hat sich eine Leidenschaft entwickelt, die Lust auf Blues. „Playstation zocken war für die anderen. Ich hab mich dann immer hingesetzt und auf der Gitarre rumgezupft“, erinnert sich Beni.

So unterschiedlich die Wege und Entwicklungen der beiden sind, eins verbindet die Vollblut-Musiker: Die Liebe zur Musik. Sie ist Teil ihrer Identität. Ein Leben ohne Musik kann sich keiner der beiden vorstellen. Warum das so ist, und was ihre Heimat mit ihrer jeweiligen Musik verbindet, haben uns die beiden im Gespräch mit GRANDIOS erzählt.

Gelernt ist gelernt – Als die Instrumente noch größer als sie selbst waren

Beide wollen etwas ausdrücken. Formulieren. „Ich bin eine frustrierte Tänzerin“, sagt Yudania von sich. „Ich hätte gerne gelernt, wie man richtig tanzt. Ich hab das aber leider nie geschafft. Also drücke ich meine Gefühle, meine Ideen und Gedanken in der Musik aus.“ Die Musik hat sie von der Pieke auf gelernt. Ihre Eltern haben das Talent der kleinen Yudania damals früh erkannt und gefördert. Beni Hafner hat sich das Gitarrespielen selbst beigebracht. Als junger Bub hat er seine erste Gitarre von seinem Vater geschenkt bekommen. Die hat er bis heute quasi nicht mehr aus der Hand gegeben. Die Gitarre wurde zu einem Teil von ihm. Im wahrsten Sinne des Wortes. Denn eine Gitarre als Tattoo ziert inzwischen auch seine Brust. Quer über das Herz. Der Oimara, wie ihn seine Freunde liebevoll nennen, ohne Gitarre, das wäre wie Yudania ohne Tasten oder Noten.

„Ich habe schon als Kind viel Musik gemacht. Ich hab viele Märchen gelesen, viel geschrieben, Lieder und Gedichte. Ich habe auch viel gesungen. Das gehört irgendwie zu jedem Kubaner dazu. Du hörst eigentlich immer Musik. In den Straßen, zu Hause – Musik ist immer dabei. Es ist einfach ein Teil meines Lebens geworden. Entweder musiziere ich selbst oder ich höre Musik, komponiere oder tanze auf Musik.“

Dass die Musik auch Benis Leben einmal so prägen würde, dass sie Teil seiner Identität sein würde, hat er erst später für sich erkannt. „Ich hab mir in jungen Jahren nie groß Gedanken darüber gemacht. Ich hab mich aber auch nie dazu zwingen müssen. Für mich war Gitarre spielen einfach entspannend. Ich hab es einfach gemacht. Von daher war Musik schon immer Teil meiner Identität. Das Bewusstsein dafür musste ich erst noch entdecken. Das Musik machen war quasi ein kleines Puzzleteil auf dem Weg meines ewigen Selbstfindungstrips.“ Beni streichelt seine Gitarre und lacht. Leicht verlegen geht er sich durch sein Haar. Er spricht nicht gerne über sich. Seine Musik spricht, klingt dafür sehr nach seinem Leben, nach seiner Heimat.

Die Kraft der Musik

Musik verbindet. Musik schafft, was Worte nicht erreichen. Musik ist eine Art Universalsprache. Sie bringt unterschiedlichste Charaktere zusammen, vereint Völker. Wortlos. Das hat Beni Hafner in seinen vier Jahren Spanienaufenthalt erleben dürfen. Hier hat er seine Kochlehre absolviert und Land und Menschen mit seiner Musik genauso erobert wie in seiner Heimat. Yudania spürt die Kraft der Musik nahezu täglich. 217 Studenten aus 16 Ländern studieren an der Regensburger Hochschule. „Hier ist alles etwas strukturierter“, stellt Yudania fest. Beni schmunzelt. Den Satz würde er für sich nicht unterschreiben. Seine Karriere war bis jetzt eher von Begegnungen geprägt. Aber nicht durch einen Kalender. Das ändert sich seit einigen Wochen. Inzwischen hat er eine Booking-Agentur engagiert. Sonst würde er die vielen Auftritte nicht organisiert bekommen. Auch das erste Album wurde hochprofessionell produziert. „Da merkt man dann, dass Musik auch Arbeit ist.“ „Letztlich wie bei der Identität“, ergänzt Yudania, „seine zu finden ist auch Arbeit.“

Kuba und Bayern – Zwei Länder, so fern und doch so nah

Was Kuba und Bayern ausmacht? Was sie verbindet, wollen wir wissen. „Das Temperament, die Leidenschaft“, sind sich beide einig. „Die Tradition, die Wurzeln, die kulturelle Verankerung, die wird immer bleiben. Aber man kann diese Dinge verändern. Optimieren, neu interpretieren. Und trotzdem bleibt es etwas Kubanisches, etwas Bayerisches“, ist sich Yudania sicher. „Eine Tradition kann sich weiterentwickeln und trotzdem Tradition bleiben.“ Für Beni ist klar, die Sprache ist ein wichtiger Faktor: „Bayerische Musik lebt von der Art, wie die Menschen hier sprechen. Das hört sich dann immer gleich wie ein Hum Tata, Buff Tata an. Das muss es aber nicht. Die Sprache hat viel Humor. Begriffe und Redewendungen. Wenn man die verändert, neu arrangiert, dann bleibt es bayerisch, ist aber was ganz Neues. Ich wäre jetzt nicht so überheblich zu sagen, dass ich mit meinen Darbietungen die Musik Bayerns mitprägen würde. Ich hoffe es natürlich. Ich wäre aber schon zufrieden, wenn sich meine musikalische und persönliche Identität weiterentwickelt. Sich festigt und ihren Anker findet. So wie die unserer Herkunftsländer. Kuba wird immer erkennbar sein. Bayern sowieso. Wenn ich das auch mal über mich und meine Musik sagen kann, dann hab ich viel erreicht im Leben.“ Das sei in Kuba nicht anders, ergänzt Yudania. „Kuba hat Rhythmus, Melodie. Musik bestimmt das Leben. Und auch hier ist eine neue Interpretation der musikalischen Identität des Landes jederzeit möglich.“

Musikalische Vorbilder – Lehrmeister und Inspiration

Temperament und Leidenschaft – zwei Eigenschaften, die ihre Heimatländer ausmachen, und zu ihrer Identität gehören, sie formen. Die musikalische Identität der beiden wurde ebenfalls geprägt. „Echte Lehrmeister hatte ich nie“, sagt Beni, „aber ich weiß noch, die erste CD, die ich gehört habe, war von ACDC. Ich habe die rauf und runter gehört und das Gitarrenspiel von Angus Young hat mich damals immer begeistert. Das war mein erstes Vorbild: Angus Young. Danach kamen die klassischen Blues Gitarristen, Jimmy Hendrix oder John Mayer. Der ist auch heute noch mein absoluter Lieblingsgitarrist. Das ist meine Musik.“ Als hätten wir ihn aufgefordert, zupft Beni einige Akkorde der unbewussten Lehrmeister. Er kann nicht anders. „Anders ist das bei meinen Texten. Meine Liedtexte sind meine Erfahrungen pur. Das bayerische Leben, das sich vor meinen Augen abspielt.“

Yudania erinnert sich noch genau an ihre ersten Vorbilder. „Ich habe, wie viele kubanische Kinder, schon als Kind Musik studiert: Ich wollte immer so sein wie meine Lehrerin für Chorleitung. Ich wollte auch so wie sie dirigieren oder Klavier spielen können. Sie hat mir immer geholfen und mir Mut für mein Musikstudium gemacht. Heute sind es einige Komponisten, die meine Musik prägen. Ich mag klassische Musik, aber auch gerne Pop- oder Volksmusik, kubanische und brasilianische Sänger. Das ändert sich ja im Laufe eines Lebens immer. Und immer nimmt man etwas für sich mit. Das fließt dann in deine Musik mit rein.“

Unverwechselbar und authentisch – die eigene Handschrift

Viele Einflüsse, und doch lässt sich die Musik klar zuordnen. Das Ziel eines jeden Musikers: Eine Ära prägen. Eine Musikrichtung mitgestalten. So wie Vorbilder. Selbstbewusst sagt Yudania von sich selbst: „Ich würde behaupten, dass die Musik, die ich komponiere, eine eigene Identität hat. Etwas, das man hört und gleich mit mir verbindet.“ Ihre Werke haben einen Wiedererkennungswert. „Ich glaube, meine Musik ist harmonisch und rhythmisch. Das passt zu den Texten. Ich schreibe meine eigenen Texte. Auf Deutsch und auf Spanisch. Ich versuche meine Texte immer wieder selber zu schreiben. Das entwickelt sich dann.“

„Wie ganz viele Puzzleteile“, ergänzt Beni, „die irgendwie im Kopf rumschwirren. Und manchmal gräbst du dann irgendwas aus, was du mal vor zwei Jahren gemacht hast und das passt dann zu dem, was du vor einer Sekunde geschrieben hast. Entscheidend ist, dass es von Dir ist. Dann trägt es deine Handschrift. Ist Teil von Dir. Das ist ein bisschen wie in der Küche. Erst die perfekte Mischung, die feine Abstimmung der Zutaten machen das Gericht aus.“ Der gelernte Koch weiß, wovon er redet. Seine Lieder schreibt er in erster Linie für sich. „Wenn sie mir gefallen, bin ich glücklich. Wenn sie dann noch anderen Freude bereiten, ist das schön.“ Aber es ist nicht zwingend sein Ziel. „Hier ist der Küchenvergleich nicht angebracht“, lacht Beni.

Die eigene Musik muss authentisch sein. Nur dann ist sie unverwechselbar. So wie die Identität. Dann ist man auch nicht einer von vielen in seinem Genre. Man will herausstechen und doch gehört man immer irgendwie in eine musikalische Peergroup. Die Zuordnung ist dann auch Teil der musikalischen Identität. Wo gehört man hin? Eine Frage, die Beni Hafner nur schwer beantworten kann. „Ich kann mich nicht einordnen. Ich will mich auch nicht einordnen. Ich werde oft gefragt, welches Genre, und irgendwann müsse ich mich entscheiden. Eine Antwort finden. Ich sage immer, mein Herz schlägt für Blues. Aber nicht alles, was ich mache, ist Blues. Es ist immer irgendwie mit drin, aber vielleicht ist es auch bayerischer Pop. Vielleicht ist es auch einfach nur Volksmusik. Neu interpretiert. Ich denke, am treffendsten wäre „Bayerisches Lebensgefühl“. Aber diese musikalische Einordnung gibt es, glaube ich, nicht.“ Yudania hört aufmerksam zu. „Das Bayerisch kann man vielleicht sogar weglassen, es ist Dein Lebensgefühl. Auf Bayerisch.“

Musik ist Ausdruck von Gefühlen

Musik ist ihre Art, Gefühle auszudrücken. „Das geht überall“, lacht Yudania. „Egal ob du in Kuba oder in Japan bist. Das geht überall. Und jeder kann es. Das Lied kann dasselbe sein. Die Gefühle des Landes, der Region, verändern das Lied. Ich kann das in der Kirchenmusik sehr schön sehen. Die bekannten Lieder im Gotteslob sind ja fast überall auf der Welt die gleichen. Es sind die Sprache und die Interpretation der Menschen, die das Lied in die Gefühlswelt der Menschen transportieren.“ In Deutschland prägt die Orgel die Lieder. Das ist in Lateinamerika ganz anders. In Deutschland ist es so, wenn du in die Kirche gehst und die Orgel spielt, dann bekommst du Gänsehaut, dann kannst du dieses Gefühl als Musiker am Instrument richtig gut ausdrücken, als Zuhörer auf dich wirken lassen.“

Stille am Tisch. Das Gesagte wirkt. Für Beni lassen sich Worte und Gefühl durch Musik immer besser transportieren. „Das ist wie ein Bild. Ein Bild fesselt und sagt mehr als tausend Worte. Das kann ein Musikstück auch. Musik prägt die Gefühlswelt der Menschen. Ob sie gut oder schlecht gelaunt sind.

Musiker nehmen diese Gefühle mit auf die Bühne, in den Probenraum, ins Studio. „Wenn ich vor ganz vielen Leuten spiele, dann bin ich immer extrem aufgeregt.“ Beni lacht, als ihm seine schlimmsten Launen durch den Kopf schießen. „Teilweise bin ich ungenießbar, wie meine Eltern sagen. Ich hab’ dann teilweise richtig Schiss auf die Bühne zu gehen. Aber wenn ich dann oben bin, dann bin ich in meiner Welt. Dann ist eigentlich alles gut. Dann kommt ein Gefühl in dir hoch, das willst du immer wieder erleben. Vor noch mehr Leuten. Denen du deine Musikwelt zeigst. Am liebsten jeden Tag. Jeden Tag wird wahrscheinlich nicht klappen, aber jeden dritten Tag. Das wäre nicht schlecht. Das wäre mein Traum.“

Einen Traum haben beide gemeinsam: Dass Musik weiter ihr Leben bestimmt. Dass ihre Identität in ihrer Musik spürbar, erkennbar wird. Wenn man die beiden so sieht und hört, wie sie gemeinsam Musik machen, dann ist man sich dessen schnell sicher.

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