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Ausgabe 03/22 Wahrheit

Ich habe Gott vertraut und wurde belohnt.

Lesedauer: ca. 7 Min. | + Video zum Beitrag

Autor: Johannes Seemüller | Fotos: Bernhard Spoettel

„Ich habe Gott vertraut und wurde belohnt.“

Melanie Behringer (36) gewann während ihrer Fußball-Karriere viele wichtige Titel. Sie wurde Olympiasiegerin, Weltmeisterin, Europameisterin und deutsche Meisterin. 123 Mal trug sie das Trikot der deutschen Fußball-Nationalmannschaft. Eine beeindruckende Bilanz. Sie sagt: „Das hat Gott mir geschenkt.“ Ein Gespräch über Wahrheitssuche auf und neben dem Platz.

GRANDIOS: Melanie Behringer, wir haben kürzlich eine spannende Fußball-Europameisterschaft der Frauen erlebt mit einem tollen zweiten Platz für das deutsche Team. Die TV-Einschaltquoten in Deutschland lagen beim Finale bei knapp 18 Millionen Zuschauern. Ist Frauenfußball bei uns so populär wie nie?

Melanie Behringer: Definitiv. Gerade in Deutschland geht es wieder voran. Das liegt natürlich auch am Erfolg der Nationalmannschaft. Nachdem wir in den vergangenen Jahren eine kleine Delle hatten, bringt diese EM neuen Schwung nach Deutschland. Ich hoffe, dass die Stadien bei den Bundesligaspielen der Frauen nun voller werden.

Kleiner Vergleich: In der Saison vor Beginn der Corona-Pandemie kamen zu einem Fußball-Bundesliga-Spiel der Männer im Schnitt gut 43.000 Fans, zu einem Bundesliga-Spiel der Frauen etwa 800.

Genau. Da geht sicherlich noch mehr bei den Frauen. Aber ich glaube, dass die Begeisterung durch die EM jetzt übergeschwappt ist. Ich kenne viele Menschen, die nun begeistert Frauenfußball schauen. Ich hoffe, dass diese Euphorie auch anhält.

Sie selbst haben sich schon früh als Kind für Fußball begeistert. In dem kleinen Ort im Südbadischen, in dem Sie aufgewachsen sind, gingen Sie statt in die Gymnastikhalle auf den Bolzplatz. Wie kam es dazu?

Für mich als Mädchen war von Anfang an klar, dass ich Fußball spielen will. Ich habe vier Brüder, die alle gekickt haben. Ich bin täglich mit ihnen auf den Bolzplatz, der nur 100 Meter von unserem Elternhaus entfernt war.

Ich finde es das Schlimmste, wenn man sich belügt. Dann geht das Vertrauen verloren.

Melanie Behringer

Sie haben dann im Nachbarort mit Ihrem Zwillingsbruder in einer reinen Jungen-Mannschaft gekickt – und in Ihrer ersten Saison gleich 66 Tore geschossen. Wie fanden denn die Jungs das Mädchen mit den Torjäger-Qualitäten?

Also, die Gegner haben sich darüber natürlich weniger gefreut, aber für unser Team war es super. Die Jungs aus meiner Mannschaft fanden das cool. Ich habe nie negative Stimmen gehört. Ich habe mich als einziges Mädchen unter den Jungs sehr wohl gefühlt. Ich kannte das ja auch nicht anders – mit meinen vier Brüdern. Es gab null Probleme. Im Gegenteil:  die Jungs haben mich immer unterstützt – auch während meiner gesamten Karriere. Genauso wie meine ganze Familie.

Wie würden Sie Ihre Familie beschreiben? Welche Werte und Wahrheiten wurden Ihnen vermittelt?

Ich hatte eine total schöne Kindheit. Meine Brüder und ich wurden dazu erzogen, allen Menschen mit Respekt zu begegnen. Außerdem war Ehrlichkeit ganz wichtig bei uns. Ich finde es das Schlimmste, wenn man sich belügt. Dann geht das Vertrauen verloren. Aber genau dieses Vertrauen finde ich total wichtig. Wir haben in unserer Familie auch jetzt noch einen sehr guten Zusammenhalt. Obwohl ich schon seit vielen Jahren nicht mehr zuhause wohne, ist die Verbindung noch richtig gut. Das hat auch etwas mit der Erziehung zu tun.

Sie sagen, Ehrlichkeit sei ein hohes Gut in Ihrer Familie. Haben Sie als Kind nie geflunkert?

(Lacht) Sicher mal. Aber das weiß ich schon gar nicht mehr. Vor den Eltern habe ich eigentlich nie gelogen. Ich mag es selbst überhaupt nicht, wenn ich angelogen werde. Ich schaue immer, dass ich ehrlich bin.

Dürfen oder müssen Notlügen manchmal sein?

Sicherlich habe ich auch schon mal eine Notlüge benutzt, auch wenn ich mich jetzt an keine konkrete Situation erinnern kann. Aber ich denke, es kommt immer darauf an, um was oder um wen es geht, und wie wichtig es ist. Aber ich versuche immer, ehrlich zu sein und bei der Wahrheit zu bleiben.

Ich habe den Eindruck, dass von Sportstars immer häufiger erwartet wird, dass sie gesellschaftspolitische Statements abliefern oder Aktionen ihres Sportverbands (z. B. gegen Rassismus, Diskriminierung, Homophobie) unterstützen. Wie finden Sie diese Entwicklung?

Ich finde das schwierig. Ich habe aktuell das Gefühl, dass jede und jeder auf einen bestimmten Zug aufspringen muss. Manche werden dabei womöglich in eine Richtung gedrängt, in die sie gar nicht gehen möchten. Sie sind aber vielleicht innerlich zu schwach, um eine andere Meinung zu äußern. Oder sie trauen sich nicht, sich hinzustellen, um zu sagen: Nein, das bin ich nicht. Da mache ich nicht mit. Deshalb bin ich gespannt, wo das hinführt.

Es gab nicht nur Hochs. Gerade in den Tiefen habe ich gemerkt, dass ich Gott brauchte.

Melanie Behringer

Als Sie 2019 Ihre Fußball-Karriere beendeten, konnten Sie auf erfolgreiche Jahre und viele Titel zurückblicken: Olympia-Gold, WM- und EM-Sieg, Platz 3 bei der Wahl zur Weltfußballerin 2016. Sie könnten mächtig stolz auf Ihre eigene Leistung sein. Stattdessen betonen Sie immer wieder, dass Gott Ihnen eine erfolgreiche Karriere geschenkt habe. Warum?

Weil es mir wichtig ist. Weil ich von Gott dieses Talent geschenkt bekommen habe. Ich habe versucht, alles aus diesem Talent herauszuholen. Aber es gab nicht nur Hochs. Gerade in den Tiefen habe ich gemerkt, dass ich Gott noch viel mehr brauchte. Er musste mich da durchzwängen und mir helfen. Besonders schwer war es bei der Europameisterschaft 2013 in Schweden für mich. Ich war in den Jahren zuvor immer Stammspielerin gewesen, aber bei diesem Turnier kam ich nur 20 Minuten zum Einsatz. Die Trainerin hat nicht wirklich mit mir gesprochen, ich war plötzlich nicht mehr wichtig. Ich habe mit dem Gedanken gespielt, als Nationalspielerin aufzuhören. Genau in dieser Situation aber habe ich die Hilfe Gottes gespürt. Ich habe ihm vertraut und wurde belohnt. Letztlich ging es Schritt für Schritt wieder bergauf.

Als Sie 2019 Ihre Fußball-Karriere beendeten, konnten Sie auf erfolgreiche Jahre und viele Titel zurückblicken: Olympia-Gold, WM- und EM-Sieg, Platz 3 bei der Wahl zur Weltfußballerin 2016. Sie könnten mächtig stolz auf Ihre eigene Leistung sein. Stattdessen betonen Sie immer wieder, dass Gott Ihnen eine erfolgreiche Karriere geschenkt habe. Warum?

Weil es mir wichtig ist. Weil ich von Gott dieses Talent geschenkt bekommen habe. Ich habe versucht, alles aus diesem Talent herauszuholen. Aber es gab nicht nur Hochs. Gerade in den Tiefen habe ich gemerkt, dass ich Gott noch viel mehr brauchte. Er musste mich da durchzwängen und mir helfen. Besonders schwer war es bei der Europameisterschaft 2013 in Schweden für mich. Ich war in den Jahren zuvor immer Stammspielerin gewesen, aber bei diesem Turnier kam ich nur 20 Minuten zum Einsatz. Die Trainerin hat nicht wirklich mit mir gesprochen, ich war plötzlich nicht mehr wichtig. Ich habe mit dem Gedanken gespielt, als Nationalspielerin aufzuhören. Genau in dieser Situation aber habe ich die Hilfe Gottes gespürt. Ich habe ihm vertraut und wurde belohnt. Letztlich ging es Schritt für Schritt wieder bergauf.

Wo haben Sie dieses Gottvertrauen gelernt?

Wir haben früher zuhause in der Familie regelmäßig zusammen gebetet. Ich finde das wichtig, weil das gemeinsame Gebet zusammenschweißt. Ich habe auch vor meinen Spielen gebetet. Ich bat darum, ein gutes Spiel zu machen und möglichst zu gewinnen. Später ging es mir nicht um den Sieg, sondern vor allem darum, dass sich niemand auf dem Platz schwer verletzt. Auch heute als Trainerin bete ich. Es tut mir einfach gut, ich brauche dieses Gespräch mit Gott. Ich lese auch täglich in der Bibel. Daraus ziehe ich Kraft, hier finde ich Orientierung.

Wie wichtig ist Humor für eine Beziehung?

Humor ist entscheidend. In einer Beziehung sollte man über sich selbst lachen können und – wenn möglich – über Situationen, die man verändern will. Die Natur hat in die Ehe viel Humor „eingebaut“. Nicht selten sieht man Paare, wo einer der beiden pedantisch ist und der andere Teil sehr großzügig. Ein Teil ist sehr kreativ, der andere phantasielos. Sie ist weich und barmherzig, er eher nüchtern. Er ist flatterhaft und unruhig, sie steht wie ein Fels in der Brandung. Diese Paare finden zusammen. Die Natur hat das so zur gegenseitigen Ergänzung eingerichtet und um die Vielfalt der verschiedenen Anlagen an die nächste Generation weiterzugeben. Wer das vor Augen hat, lernt mit den Fehlern des anderen zu leben und kann über sich selbst lachen.

In der Bibel lesen wir diese Aussage von Jesus: „Ich bin der Weg und die Wahrheit und das Leben.“ Würden Sie das unterschreiben?

Voll und ganz. Ich glaube, dass in der Bibel die Wahrheit steht. Ich versuche, mein Leben danach auszurichten. Natürlich klappt das nicht immer, das ist auch ganz menschlich. Aber für mich sind die biblischen Geschichten und Aussagen Leitplanken: in welche Richtung kann oder soll ich gehen? Wie weit kann ich gehen? Wo ist Schluss?

Manche Wahrheiten können weh tun.

Melanie Behringer

Der weltberühmte Maler Pablo Picasso sagte: „Wenn es nur eine einzige Wahrheit gäbe, könnte man nicht hundert Bilder über dasselbe Thema malen.“ Wie denken Sie darüber?

Puh, das ist schwierig. Ich denke, dass es viele Wahrheiten in alle möglichen Richtungen gibt. Der Fußballtrainer Otto Rehhagel hat mal gesagt: „Die Wahrheit liegt auf dem Platz“, und meinte damit wohl, dass am Ende nur das Ergebnis zählt. Dann gibt es im Leben Wahrheiten, die manchmal weh tun können.

Inwiefern?

Na ja, das habe ich 2013 bei der EM erlebt. Wenn die Trainerin dir sagt „Du bist im Moment zu schlecht und du sitzt auf der Bank“, dann tut das natürlich erst mal weh. Aber es ist zumindest ihre Wahrheit. Sie denkt so, auch wenn ich das anders sehe. Also, insofern kann man in der Tat verschiedene Blicke auf dasselbe Thema oder auf dieselbe Situation haben.

„Ohne Gott fühle ich eine innere Leere.“ Dieser Satz haben Sie mal in einem anderen Interview gesagt. Heißt das, Sie fühlen sich unvollständig ohne die Nähe Gottes?

Ich kann mir ein Leben ohne Gott irgendwie nicht vorstellen. Ich versuche, ihn in alles mit einzubeziehen. Das gibt mir Sicherheit. Ich hätte es mir kaum denken können, als Spielerin ohne Gott auf den Platz zu gehen. Ich weiß, dass ich seine Hilfe brauche. Ohne ihn bin ich nichts.

Das finde ich erstaunlich. Denn viele reden heute von Selbstoptimierung, jeder Mensch scheint für sein eigenes Glück verantwortlich zu sein. Jede und jeder ist bemüht, sich zu perfektionieren. Ist Ihre beschriebene Abhängigkeit von Gott eine Art Gegenentwurf zum aktuellen Optimierungstrend?

Ja, wahrscheinlich. Ich vertraue Gott total, was meine Zukunft angeht. Ich muss mir auch gar keinen Druck machen. Ich weiß, dass mich Gutes erwartet, auch wenn ich noch nicht weiß, was genau kommt. Aber ich bin mir ganz sicher, es kommt etwas Gutes. Die Welt wird immer schnelllebiger. Alles entwickelt sich so rasant. Ich bin darüber innerlich völlig ruhig, weil ich weiß, dass ich beschützt bin. Mir kann nichts passieren. Gott weiß, was für mich wichtig ist. Also vertraue ich und bin gespannt, was kommen wird.

Nicht nur auf die Kirche schauen, sondern auf Jesus selbst.

Melanie Behringer

Der gesellschaftliche Trend geht in eine andere Richtung. Glaube und Kirche sind nicht en vogue. Den großen Volkskirchen laufen die Mitglieder davon. Woran könnte das liegen?

Zuletzt ist vieles an die Öffentlichkeit gekommen, was auf die Kirchen kein gutes Licht wirft. Stichwort Misshandlungen oder sexuelle Übergriffe. Es ist richtig und wichtig, dass da genau hingeschaut wird. Täter müssen bestraft, Opfer entschädigt und Missstände müssen aufgearbeitet und behoben werden. Aber ich finde es ebenso wichtig, dass wir nicht nur auf das „Gebäude Kirche“ schauen, sondern auf Jesus selbst.

Ich habe eine Beziehung zu Jesus und die ist mir wichtig. Ich muss nicht unbedingt in die Kirche gehen, wenn ich beten möchte. Ich kann das im Freien tun oder in meinem Zimmer. Ich glaube, viele wissen nicht, dass das auch möglich ist.

Melanie Behringer! Danke für dieses sehr offene Gespräch!

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